Autor | Bibi Dumon Tak |
Verlag | Gerstenberg |
Umfang | 75 Seiten |
ISBN | 978-3-8369-5637-6 |
Preis | Fr. 32.70 (UVP) |
Es geschah im tiefsten 18. Jahrhundert, dass in den Niederlanden ein Pastor Nozeman, ausserkirchlich ein begeisterter Vogelkundler, es sich in den Kopf setzte, die Vogelwelt seiner Heimat in einem umfangreichen Werk zu erfassen. Er versicherte sich dafür der beträchtlichen illustrativen und kupferstecherischen Talente einer Familie Sepp, die das Buch Nederlandsche Vogelen zeichnerisch begleiten wollte, und stellte ein paar Regeln auf. So sollte etwa die Sammlung auch tatsächlich nur Vögel beschreiben, die in den Niederlanden brüten. Des Weiteren wollte er zusätzlich zu den Vögeln auch immer ein Nest und mindestens ein Ei überreicht haben und die Tiere erst porträtieren, wenn ihm all diese Informationen vollständig vorlagen. Nicht zuletzt diesen Regeln, aber ebenso seinem Entschluss zur Vollständigkeit dürfte es geschuldet sein, dass sich die Arbeit an dem Buch ins nächste Jahrhundert zog und drei Generationen von Autoren und Illustratoren an sich band. 59 Jahre dauerte seine Fertigstellung insgesamt; was dann aber auch bedeutete, dass die Familie Sepp bei seiner Illustration über alle gebührende Sorgfalt und Inspiration verfügen konnte.
Nun würde sich ein derart aufwändiges und attraktives Oeuvre bestens zur Aufarbeitung in einer naturhistorischen Dokumentation oder einer kulturhistorischen Abhandlung eignen. Auch liessen sich die wunderschönen Stiche in einer exklusiven Mappe oder einem prunkenden Prachtband verwerten. Oder man macht daraus ein Kinderbuch. Dachte sich zumindest Bibi Dumon Tak - und liess sich dafür etwas einfallen. So etwa, sich mit der geschichtlichen und artistischen Bedeutung der Sammlung nicht lang aufzuhalten und ihren Fokus ganz auf die Vögel zu legen. Von den zweihundertfünfzig im originalen Werk dargestellten Vogelarten wählte sie dreissig - einfach so, querbeet, sagt sie - und aktualisierte deren Beschreibungen in kurzweiligen Geschichten auf den aktuellen Kenntnisstand. Wobei wir an dem "einfach so, querbeet" leichte Zweifel hegen. Denn es sticht doch heraus, wie sich in ihrer Auswahl die Vielfalt und Faszination der kunterbunten Vogelwelt aufs Schönste repräsentiert findet. Auch um geografische Verortung der vorgestellten Tiere muss man sich dabei kaum Gedanken machen: Den allermeisten ist auch hierzulande problemlos zu begegnen.
Was sich Bibi Dumon Tak aber vor allem anderen einfallen liess, sind jeweils originelle Annäherungen an jeden einzelnen Vogel. Sie weigert sich vehement, einfach nur die erstaunlichen Fakten und Eigenarten von Rotkehlchen, Raubwürger oder Wasserralle aneinanderzufügen, sondern pickt dann jeweils noch eine individuelle Besonderheit heraus und webt darum ihr stimmungs- und gefühlvolles Porträt in immer frisch zurechtgelegter Erzählung. Da tritt sie dann beispielsweise ins Zwiegespräch mit den ursprünglichen Autoren - besonders gern, um sie zur Ordnung zu rufen, wenn sie ihren Vögeln wieder einmal vorrangig als kulinarische Verwertungsmasse begegnen - oder ereifert sich über den Lärm, den so ein Eichelhäher vollführt. Im rührenden Vergleich stellt sie den Haubentaucher neben das stillste und sanftmütigste Mädchen der Klasse, dem mehr Aufmerksamkeit zu zollen zu unserem Besseren gewesen wäre, oder verfolgt die Afrikareise des Purpurreihers Mustapha, die in Marokko vor der Schleuder eines Jungen endete.
Die hintergründige Absicht der Autorin ist dabei - wie vielleicht bereits offensichtlich - neben dem Interesse an den Vögeln auch eine Leidenschaft für ihren Schutz zu wecken. Das gelingt ihr deshalb so prächtig, da sie sich ihnen mit sprühendem Witz und einer aufgekratzten Zärtlichkeit nähert, die sie uns zu lebendigen, beziehungsreichen Gegenübern macht. Und so sind es dann längst nicht nur das Überformat, das sensibel vermittelte Fachwissen und der tiefe historische Untergrund, die Bibi Dumon Taks grosse Vogelschau wahrhaft gross machen: Ebenso sind es ihr grosses Engagement und der grosse Spass, den sie uns bereitet.
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