Buch «Rettung»

Buch «Rettung»

Man mag zum militanten Umweltschutz stehen, wie man will. Daniel Griffin lässt keinen dieser Standpunkte einfach stehen. Er tut das subtil, indem er eine recht geradlinige Geschichte erzählt: Von Schuld. Verdrängung. Reue. Rechtfertigung. Und von Sühne...?

 Autor Daniel Griffin
 Verlag Nagel & Kimche
 Umfang 381 Seiten
 ISBN 978-3-312-01088-2
 Preis Fr. 31.70 (UVP)

 

Wir begrüssen ja schon grundsätzlich jede Bemühung, Umweltthemen mit den erzählerischen und emotionalen Mitteln der Belletristik zu Leibe zu rücken. Längst nicht so zwangsläufig folgt auf diese freudige Begrüssung dann ein heiteres Beisammensein. Und hätte dieser Roman des kanadischen Newcomers Daniel Griffin nach einem Viertel geendet… Nun. Hat er ja nicht. So blieb ihm noch viel Zeit, sich zu einer vorzüglich klugen und feinfühligen Erzählung über Schuld und Sühne und die Rechtfertigungen und Tücken des militanten Umweltschutzes aufzuschwingen.

Aber rudern wir erst mal zurück: Zur Story. Es ist 1993. Vier Jugendliche protestieren gegen die Abholzung der letzten Primärwälder auf Vancouver Island im wilden Westen Kanadas. Sie tun das erst mal so, wie es damals in Nordamerika gerade im Schwange war; ketten sich an Bäume, schliessen sich Sitzstreiks an, suchen mediale Aufmerksamkeit. Doch mit der offensichtlichen Vergeblichkeit dieser Bemühungen und ihrer rasch wachsenden Verzweiflung eskalieren sie ihre Methoden. Getreu dem Wahlspruch, dass wahnsinnig sein müsse, wer in der Wiederholung einer ergebnislosen Aktion neue Ergebnisse erwarte, legen sie Brandsätze, um dem umweltzerstörerisch tätigen Konzern über die Beschädigung seiner Gerätschaften wenigstens ökonomisch ans Bein zu pissen. Dann eine Bombe. Als sie zündet, latscht ein Wachmann direkt in die Explosion und wird so schwer verletzt, dass er bald darauf stirbt. Jetzt sind die Vier auf der Flucht...

Den emotionalen Bezug baut uns Daniel Griffin hauptsächlich zu Pete, der die Bombe zündet, den Wachmann erstversorgt und dann, getrennt vom Rest der Gruppe, durch die endlosen Wälder Westkanadas irrt. An die Seite seines kontrastierten Gerechtigkeitssinns gesellt der Autor die bestürzte Verständnislosigkeit seiner Mutter, die auf der Suche nach ihm zwischen Polizei und Sympathisanten laviert. Und als Kontrapunkt zum leidenschaftlichen Aktionismus der Protestgruppe setzt er die nachdenkliche Lethargie der landbesetzenden Künstlerkommune, in der Pete schliesslich aufschlägt. Die Komposition all dessen mit raschen Ortwechseln und viel direkter Rede erklärt, formal, die Verlagsbeschreibung des Romans als einen "atemlosen Thriller", doch der Atem verschlug sich uns während der Lektüre gleichwohl nur selten. Durchaus zu unserem Gefallen. Stattdessen fanden wir den Roman im Rhythmus wohlkomponiert und genossen die - auch mal ratlose - Stille, die aus der imponierenden Landschaft im Hintergrund auf uns wirkt.

Es geht dem Roman in alledem vorrangiger um die Verarbeitung von Schuld und Reue hin zur Sühne als um die plakative Aufarbeitung der Diskussion um den militanten Umweltschutz. Dennoch gedeiht dieser zu mehr als nur zur Handlungsprämisse. Daniel Griffin positioniert sich diesbezüglich nur mehr als ein Moderator denn als ein Vertreter der Argumente und vertraut auf die Auseinandersetzung in den Köpfen der Leserinnenschaft. Im Zuge dessen verzichtet er auf eine bequeme Kennzeichnung von Bösewichten oder Helden und erforscht subtil das ganze Spektrum der Reaktionen vom Schmerz bis zum Opportunismus. Das mag, in seiner zurückhaltenden Ambiguität, zwischendurch mal frustrieren. Doch es wirkt über die Lektüre hinaus als eine leise Beunruhigung nach, die fruchtbar unsere vorgefassten Urteile herausfordert.

Es ist also kein leichthin zu verdauender Erstlingsroman, den uns Daniel Griffin hier vorsetzt, ganz gleich, wie wir zum radikalisierten Umwelt- und Tierschutz stehen mögen. Es ist auch noch kein ganz formvollendeter. Das zeigt sich - nach dem angesprochenen harzigen Start - etwa auch am Schluss, als er einen Eisbären beschwört, der den Hauptprotagonisten auf den Pfad der kathartischen Verantwortungsübernahme lockt; während die doch längst glaubwürdig vorgezeichnet ist. Die suspension of disbelief gerät darüber ganz unnötig ins Stolpern. Ein Stolpern ist indes noch längst kein Beinbruch, und unser erfreutes Lob des Romans gerät darüber kaum in Rückstand: Als einem geschmeidig erzählten, in seinem Gehalt aber ambitioniert ungeschmeidigen; unterhaltsam und entwaffnend.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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