Autor | David Hunziker |
Verlag | AT |
Umfang | 163 Seiten |
ISBN | 978-3-03800-997-9 |
Preis | Fr. 19.90 (UVP) |
Wenn in nahem Abstand zu einer Abstimmung über eine Volksinitiative ein Buch zu selbiger erscheint, geschieht das meist in der Absicht, sie zu unterstützen. So auch hier. Nun aber schlicht zu behaupten, dass es sich bei David Hunzikers Veröffentlichung zur Hornkuh-Initiative - "Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere" in ihrem offiziellen Wortlaut - um simple Propaganda handle, wäre nicht ganz richtig - und ebensowenig ganz falsch. Nicht ganz richtig ist es, da der Autor seine Auseinandersetzung mit der Initiative als eine Reportage aufzieht, aus der er seine persönliche Stimme weitgehend heraushält und in die er die Gegenargumente redlich einfliessen lässt. Und wiederum nicht falsch ist's, da dabei seine Sympathie mit der Initiative und ihrem Subjekt spürbaren Ausdruck findet.
Aber erst mal zum Tatbestand: Im kommenden November 2018 werden wir - das sind die Schweizerinnen und Schweizer - darüber abstimmen, ob Bauern, die ihren Kühen ihre Hörner lassen wollen, als Anreiz dahingehend finanziell unterstützt werden sollen. Um der Geschichte und dem Anlass dieser Volksinitiative auf die Spur zu kommen, besucht David Hunziker ihre Initianten und Unterstützer - erst einmal natürlich den Bündner Bauern und Ex-68er Armin Capaul, dann etwa auch den Biokäser Martin Bienerth und viele weitere Wortführer aus Politik, Wissenschaft und Landwirtschaft. Im Wechsel von atmosphärischem Porträt, Erzählung und Diskussion führt er in die Argumente der Hornkuh-Fürsprecher ebenso ein wie in jene der Gegenstimmen. Die ersten drei Kapitel des Buches des WOZ-Redaktors sind damit recht spezifisch dem politischen Hickhack ums Kuhhorn gewidmet - den Reaktionen und Agenden aller Beteiligten, den institutionellen Fallstricken, landwirtschaftlichen Bestimmungen und wirtschaftlichen Rahmensetzungen.
So informativ das - auch ganz allgemein als ein Lehrstück zum schweizerischen Politikbetrieb - bereits ist, stossen wir dann im vierten Kapitel auf den Entscheidungskern der Debatte: Wofür denn die Kühe ihre Hörner überhaupt brauchen. Da werden der "indianische" Mystizismus Capauls und die anthroposophischen Spekulationen Bienerths mit naturwissenschaftlichem Fundament unterfüttert und die Argumente auf ihre faktische Tragfähigkeit geprüft. Da ist es dann etwa betreffs der Frage, inwiefern der Verlust der Hörner die Würde einer Kuh beschädigt, ganz nützlich zu erfahren, dass sie diese nicht nur als Waffe, sondern speziell auch als ihr Mittel nutzt, mit ihren Artgenossen zu kommunizieren. Dieser und weitere Tatbestände verleihen der Rede von der “Verstümmelung“ einer Kuh die Sachlichkeit… oder wie wäre es um die Würde eines Menschen bestellt, den man eines wesentlichen Teils seines Wortschatzes beraubt?
Von einem "Abstimmungsbuch" wie diesem erwarten wir weiterhin gern einen Mehrwert, der seinen Gehalt über den Stichtag hinaus rettet. Und während wir diesen bis zu diesem Punkt der Lektüre erst in Ansätzen erspähten, sind es dann die letzten drei Kapitel seines Buches, in denen David Hunziker auch diesen Anspruch bestens befriedigt. Er setzt hier die Debatte ums Kuhhorn in ihren Zusammenhang mit der fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft in der Schweiz. Er reflektiert weiterhin die vielfältigen kulturellen Beziehungen der Schweizerinnen zu ihren Nutztieren und öffnet den Horizont zu den Fragestellungen, um die es bei der skurrilen Initiative um die Kopfzier von Wiederkäuern darüber hinaus geht. Neben der eingängigen Aufarbeitung tierschützerischer, ethischer und ästhetischer Standpunkte macht er einsichtig, wie der Ausgang dieser Abstimmung als ein Zeichen gesehen werden kann und sollte, wie wir uns den Umgang mit unseren Nutztieren wünschen. Sein gesprächiger und informativer Bericht bewährt sich somit als Entscheidungshilfe ebenso wie als eine tiefschürfende, aktuelle Bestandsaufnahme der politischen Auseinandersetzung um Tierrechte und Tierwürde in der Schweiz.
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