Buch «Natur aus den Fugen?»

Buch «Natur aus den Fugen?»

Die Verbreitung invasiver Arten - Gefahr & Chance

Invasive Arten geben zu reden - und zu schreiben. Selten aber wurde über sie so dicht, so informativ und dabei so leichtfüssig geschrieben, wie es Atlant Bieri in seinem neuen Buch tut.

 Autor Atlant Bieri
 Verlag Orell Füssli
 Umfang 223 Seiten
 ISBN 978-3-280-05680-6
 Preis Fr. 26.90 (UVP)

 

Atlant Bieri ist uns bereits bekannt als einer der Autoren der GlobiWissen-Reihe. Und das ist unbedingt eine Empfehlung, bewies er doch dort vorbildlich seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte in spannende und leichtverständliche Form zu bringen. Betreffs der leichten Verständlichkeit kann er sich nun bei diesem Buch - ein Publikum mit abgeschlossener Schulbildung im Blick - ein Stück zurücklehnen. Er nutzt diesen Freiraum, um seiner anderen Fertigkeit der kurzweiligen Erzählung die Zügel zu lockern. Seine Bestandesaufnahme und Analyse der aktuellen Problematik der invasiven Neobiota liest sich deshalb bei aller Sachlichkeit und Informationsbreite ausserordentlich fesselnd.

Dass manche Pflanzen und Tiere, die in fremde Lebensräume eingeführt werden - oder sich selbst darin einführen -, sich dort dann vor Lebenslust kaum mehr bezähmen lassen und den Alteingesessenen dabei kräftig auf die Pelle rücken, ist ein seit längerem bekannter Sachverhalt. Ins öffentliche Bewusstsein ausserhalb der Kreise der Biowissenschaften geriet er jetzt, als sich diese Dynamik im Zuge der Globalisierung mit ihrem ungebremsten Warenverkehr und vermehrten Reisetätigkeit stark intensivierte. Uns einen Begriff ihres Umfangs und der dahinterstehenden Zusammenhänge zu verschaffen, begibt sich Atlant Bieri auf Recherche. Er spricht mit Forschenden und Umweltschützern, zeichnet die oftmals verschlungenen Wege der Invasiven nach und breitet die ökologischen Wechselwirkungen in einsichtsvollen Panoramen vor uns aus.

Um angesichts der Vielschichtigkeit und Diversität der Problematik den Überblick zu wahren, packt er sie in überschaubare thematische Kapitel in sinnträchtiger Folge. So differenziert er uns in einer Einführung die verwendeten Begriffe und die grundlegenden Mechanismen eines Ökosystems, bevor er in einer globalen Tour all die Herausforderungen ausleuchtet, vor die die weltreisenden Organismen uns und die diversen Lebensräume stellen: Die landwirtschaftlichen und ökologischen, infrastrukturellen und gesundheitlichen, die finanziellen und auch die ganz privaten. Es gelingt ihm so in erstaunlicher Kürze und auf der Höhe des Forschungsstands, uns über die Konsequenzen der Verbreitung invasiver Arten ebenso aufzuklären wie über Bekämpfungsmöglichkeiten - oder den Mangel an solchen.

Wovon wir etwas mehr erwartet hätten - gewahr des Fragezeichens im Titel - wäre der Relativierung. Denn die Diskussion um invasive Arten genügt sich schon eine ganze Weile nicht mehr in blosser Abwehrhaltung: Angesichts des Klimawandels und einiger überraschender Beobachtungen der ökologischen Selbstregulierung haben jene Stimmen mehr Gewicht erhalten, die von Robinie und Pazifischer Auster nicht mehr nur als einer Katastrophe reden. Diese Differenzierung ist in dem Buch auch substanziell angelegt und dem Autor merklich ein Anliegen - sowohl in seinem Ein- wie Ausgang setzt er sich damit auseinander. Ihre Erörterung kränkelt dann aber daran, dass Atlant Bieri seine Beispiele kaum gewichtet. Im mittleren Hauptteil des Buches lesen wir in rascher Folge von den Verheerungen, die der Rotfuchs in Australien oder der Eukalyptus überall sonst anrichtet, und dann beispielsweise in ähnlichem Raumumfang von Starenschwärmen in Amerika und dem Halsbandsittich in Köln. Doch ist der Halsbandsittich, so ärgerlich bzw. hübsch er auch sei, "invasiv"? Eine relativierende Gewichtung der vielen Unglücksbotschaften fällt insgesamt schwer, und im emotionalen Rückblick stützt das Buch die Erzählung von den "bösen" Invasiven und "guten" Einheimischen wohl stärker, als Absicht war.

Doch auch wenn wir deshalb zu kühlem Gemüt und gelegentlicher Reflexion bei der Lektüre raten, bleibt Atlant Bieris versierte Aufarbeitung der Thematik eine überaus gelungene. Staunenswert, wie es ihm gelingt, seine Fülle an Sachinformationen und dienlichen Details in kaum zweihundert regsame Seiten zu packen. Klug und inspirierend dann auch, wenn er, vor der schwierigen Aufgabe des Entwurfs einer "Lösung" der zahlreichen Probleme stehend, das Gedankenbild der Hygiene ins Spiel bringt; übertragen vom Schutz der Gesundheit auf den Schutz der Integrität von Ökosystemen. Wir geben herzlichen Applaus und verlassen die Lektüre mit dem Impuls, sie unserer Leserinnenschaft energisch anzutragen...

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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