Autor | Torill Kornfeldt |
Verlag | Theiss (WBG) |
Umfang | 223 Seiten |
ISBN | 978-3-8062-3770-2 |
Preis | Fr. 34.40 (UVP) |
George Church arbeitet in Boston daran, das Mammut wiederauferstehen zu lassen. Er teilt diesen Wunsch mit Forschern beispielsweise in Südkorea, Russland oder Japan. Tja… Wir haben so eine Ahnung, was Sie jetzt denken. Sowas wie: "Anstatt einzelne ausgestorbene Tierarten wieder zurückzubringen, sollte man sich wohl besser darum bemühen, die noch vorhandenen Arten zu erhalten." Das ist im Allgemeinen auch unsere Ansicht, und es ist zu erheblichen Teilen die Ansicht der schwedischen Wissenschaftsjournalistin Torill Kornfeldt. Doch wie diese wollen wir jetzt diesen Impuls mal kurz auf Eis legen und ihr folgen, während sie in ihrem Buch rund um die Welt die Puzzleteile zusammensucht, die es uns ermöglichen könnten, den irdischen Ökosystemen Arten mal nicht nur zu nehmen, sondern zurückzugeben. Wollen wir? Dann los...
Die Wissenschaftler, die Torill Kornfeldt in Boston, New Orleans, Jütland, den Pyrenäen, Australien oder Sibirien trifft, sind weit seltener die Apostel technischer Machbarkeits- oder gar Allmachtsphantasien, als die man sie vielleicht einschätzen möchte. Sie sind voller Enthusiasmus für ihre gentechnische Forschung, gewiss, doch mindestens ebenso sehr von sensibler Leidenschaft für die lebendige Welt erfüllt, der sie ihre Forschung widmen. Wobei es ihnen bei ihren Projekten längst nicht einzig um Sehnsuchtstiere wie das Mammut, den Auerochsen oder einen hühnergrossen Hausdinosaurier geht - ja doch, selbst daran tüftelt einer -, sondern etwa auch um das soeben erst ausgestorbene Nördliche Breitmaulnashorn, um die Wandertaube, um Korallen oder Bäume. Desgleichen beschränkt sich der Nutzen solcher Versuche nicht darauf, zottelhaarige Elefanten in die Tundra zu entlassen: Die erweiterten Ziele umfassen die Wiederherstellung und Stabilisierung von Ökosystemen oder direkte gesundheitliche Verbesserungen für Tier, Mensch und Pflanze. Torill Kornfeldt lässt sich, während sie den Forschern ihre kritischen Fragen stellt und sich ihre Wissenschaft erläutern lässt, anstecken von deren Begeisterung. Unweigerlich überträgt sich das auf die Leserschaft.
Es ist ein spannendes Forschungsfeld genauso wie ein kontroverses, in das uns die Autorin gewandt und umtriebig einführt. Sie lässt es dabei weder an der Spannung noch an der Kontroverse missen. Ganz abgesehen von der Leichtigkeit, mit der sie uns Grundlagen und Sonderkenntnisse der genetischen Wissenschaften auf ein Laienverständnis herunterbricht, bleibt sie dabei stets am Puls der Biodiversitätsdiskussion. Sie selbst, teilt sie uns mit, habe zu Beginn ja noch erwartet, es ginge bei dem Unterfangen der Wiederbelebung ausgestorbener Arten hauptsächlich um Nostalgie und die Sehnsucht nach einer verschwundenen, vermeintlich unversehrteren Welt. Nur um dann festzustellen, dass es vielmehr um Gegenwart und Zukunft geht: Um unser Naturbild und die Diskussion desselben, um die allgegenwärtigen Fragen, wie viel an Nutzen und Schaden unsere menschlichen Einflussmöglichkeiten anrichten können, dürfen oder sollen. Ihre Leserschaft darf sich auf die eigene vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Debatte und die Erweiterung des diesbezüglichen Horizonts gefasst machen.
Am Ende ihrer Reise kann uns Torill Kornfeldt ebenso viele gute Gründe für die Auferstehung bspw. der Wandertaube aufzählen wie dagegen. Vieles hängt davon ab, wo wir uns selbst in unserem Lebensumfeld verorten, und auch davon, was wir davon erahnen können, wie dieses Lebensumfeld auf die Rückkehr einer Art reagiert - ganz gleich, ob es sich dabei wie beim Breitmaulnashorn um einen genetischen Wiedergänger oder wie beim Auerochsen um einen Stellvertreter handelt. Das Wohl dieser Rückkehrer bleibt in ihrer sensiblen Aufarbeitung dann ebenso wenig aussen vor wie die Spekulation darüber, wie sie sich auf unser Umweltbewusstsein auswirken. Wird uns die Chance, die Ausrottung von Arten "wiedergutzumachen", nur zu weiterer Achtlosigkeit anstacheln? Oder wird es uns mit Dankbarkeit und fürsorglicher Liebe erfüllen? Der Belang von Torill Kornfeldts Buch jedenfalls reicht viel weiter, als wir es bei Ansicht seines Titels noch gehofft hatten, und umso dankbarer sind wir für die gewissenhafte Sorgfalt und fesselnde Kurzweil, mit dem sie uns ihren faszinierenden Stoff präsentiert.
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