Buch «Die Sache mit dem Suppenhuhn»

Buch «Die Sache mit dem Suppenhuhn»

Die Debatte um die ethischen und ökologischen Problemstellungen der Nutztierhaltung ist vielschichtig und bisweilen aufgeheizt. Da hinein setzt sich Cornelie Jägers Faktensammlung und Vision einer gewissenhaften Tierhaltung als eine ausnehmend nüchterne und zielbewusste Stimme.

 Autor Cornelie Jäger
 Verlag Eugen Ulmer
 Umfang 335 Seiten
 ISBN 978-3-8186-0369-4
 Preis Fr. 24.80 (UVP)

 

Ob unsere Nutztiere, vor die Wahl gestellt zwischen Hofhaltung und Freiheit, die Freiheit wählen würden? Ganz so sicher ist das nicht - vom Unterschied zwischen Wollen und Können noch zu schweigen. Doch wie dem auch sei: Indem wir fühlende, soziale und vordem eigenverantwortliche Lebewesen in unsere Dienste stellten, ging Verantwortung auf uns über: Eine ethische Verantwortung, der wir (nicht nur in der zu Recht geschmähten Massentierhaltung) bestenfalls zögerlich nachkommen. Die ethische Fragestellung ist indessen nur das eine: Die Nutztierhaltung ist ausserdem in hohem Mass klimarelevant, gefährdet die Biodiversität, strapaziert Gewässer, Ressourcen und Böden. Damit bleibt die Debatte um Ethik und Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Tierhaltung von dringendem Belang.

Die Tierärztin, Landwirtin und ehemalige Landesbeauftragte für Tierschutz Baden-Württembergs Cornelie Jäger möchte uns mit ihrem Buch in der kontroversen Diskussion verbindlich orientieren. Das ist schon ambitioniert. Sie setzt noch eins drauf, indem sie sich vornimmt, daraus dann einen Entwurf für eine gesamtgesellschaftlich akzeptable Nutztierhaltung zu kristallisieren. Dafür eruiert sie erst einmal die verfügbaren Fakten vor ihrem historischen Hintergrund und in all ihren Zusammenhängen. Die reichen von der ernährungswissenschaftlichen Position zum Fleischverzehr über dessen Rolle für Welternährung und Agrarökonomie bis zu all den ökologisch und ethisch bedeutsamen Problemlagen: Klimawandel, Wasserhaushalt, Bodengesundheit, Biodiversität und nicht zuletzt der Frage, was “Tierwohl“ überhaupt bedeuten soll und woran es sich ermessen lässt.

Wer sich, wie wir, von einem Sachbuch gerne fesseln und unterhalten lässt und dabei auch die Wahrnehmung der persönlichen Stimme der Autorin schätzt, die oder der sollte diesen Anspruch hier etwas zurückbinden. Cornelie Jäger schreibt flüssig und leichtverständlich, aber auch so nüchtern und konzentriert, dass sie hinter dem dichten Gefüge von Daten, Belegen und notwendigen Relativierungen fast ganz verschwindet. Der Vorteil davon ist, dass sie derart die verzwickte Komplexität ihres Themas ohne simplifizierende Abstriche und in übersichtlicher Kürze abbildet. Der Schwerpunkt ihrer Darstellung liegt dabei auf den Verhältnissen im EU-Raum und insbesondere in Deutschland. Das wird spürbar speziell auch in ihrer Erörterung der Frage, inwiefern die aktuellen Tierschutzgesetze den diversen Ansprüchen von Konsumentinnen, Agrarwirtschaft und den Nutztieren selbst gerecht werden. Sie kommt hier zum Schluss, dass die vorhandenen Rechtsvorgaben so schlecht gar nicht wären, läge zwischen ihnen und ihrer zweckmässigen Anwendung nicht ein beachtlicher Graben. Da mag dann die Präzisierung der Gründe für diese Differenz hierzulande nicht in jedem Einzelfall zutreffen, bedeutungslos für die Schweiz wird ihr Buch damit keineswegs. In der Hauptlast seiner Argumente, Analysen und Abwägungen bleibt es von mustergültig informativem Nutzen und genereller Gültigkeit.

In ihrer sachlichen Abwägung der Argumente wird es Cornelie Jäger beileibe nicht allen recht machen. Da wird sie den einen zu weit gehen, den andern längst nicht weit genug. Da sie offensichtlich nicht annimmt, dass sich die ganze Welt plötzlich vegan ernährt, andererseits aber ein fleissigeres Bekenntnis der Nutztierwirtschaft zum Tierwohl für zumutbar verteidigt, bewegt sich ihr abschliessender Entwurf einer nachhaltigen und pfleglichen Tierhaltung im realistischen, gleichwohl herausfordernden Rahmen. Diese Herausforderung kann sie den einen dadurch versüssen, indem sie darin auch zukunftsträchtige Chancen belegt. Den andern zügelt sie die moralischen Ansprüche mit dem Hinweis, dass ja mit ihrem Vorschlag noch kein endgültiger Zielpunkt festgelegt sei. Und so dürfte dann ihr ökonomisch und politisch ausdifferenzierter Entwurf einer multifunktionalen, den Tierbedürfnissen angepassten (statt die Tiere den Halterbedürfnissen anpassenden) und ökologisch nachhaltigen Nutztierhaltung tatsächlich das sein, was er sein will: Ein weithin akzeptables Konzept einer verantwortungsvollen Nutztierhaltung. Wir halten das, bei allen noch verbleibenden Unsicherheiten im jeweiligen Detail, für einen grossen Wurf.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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