Autor | Thomas Rau / Sabine Oberhuber |
Verlag | Econ (Ullstein) |
Umfang | 221 Seiten |
ISBN | 978-3-430-20268-8 |
Preis | Fr. 22.90 (UVP) |
Dass es auch aufs Material ankommt, nämlich im Bezug auf den enorme Ressourcenverzehr unserer Konsumgesellschaft, ist eine bereits breit reflektierte Einsicht. Deshalb begnügen sich der Architekt Thomas Rau und die Betriebswirtin Sabine Oberhuber auch nicht damit, uns diese Ressourcenverschwendung in ihrem Buch noch einmal eingängig zu vergegenständlichen, sondern entwickeln ein weitläufiges Modell, ihr einen Riegel zu schieben.
Ihr sogenanntes Turntoo-Modell ist ein erfrischend radikales, und sein Grundgedanke geht so: In den aktuellen Produktionsverhältnissen wird die Verantwortung für ein Produkt per Eigentumsrecht beständig von den Produzenten auf die Konsumenten abgeschoben. Ein Beispiel. Wir kaufen ein Smartphone. Damit haben wir nicht nur ein praktisches Gerät erstanden, sondern - Eigentum verpflichtet - auch die Verantwortung für den Lebensweg der darin verarbeiteten Materialien und Rohstoffe. Wir Konsumenten können mit dieser Verantwortung indessen wenig anfangen; unser Einfluss auf die Abbau- und Produktionsmethoden und die dort anzusetzende Ressourceneffizienz tendiert gegen null, und auch das Recycling - so es ein solches gibt - ist unserem lenkenden Eingriff weitgehend entzogen. Ausführlich zeigt das Buch uns auf, wie diese Umverteilung der Verantwortung vom Produzenten zum Konsumenten ein Produktdesign begünstigt, das Reparatur und Upgrade verweigert (Stichwort geplante Obsoleszenz), und damit die anwachsenden Halden vermeintlichen Abfalls fördert - im Buch veranschaulicht etwa anhand des global desaströsen Materialverschleisses der Bauwirtschaft.
Dementsprechend möchten die Autorinnen die Verantwortung an die Produzenten zurückdelegieren. Im präzisen Detail führen sie vor, wie ihr Turntoo-Konzept, in dem die Wirtschaft für ihre Produkte verantwortlich bleibt, eine effiziente Zirkulation von Rohstoffen und Materialien anstossen würde. Dies verbinden sie mit dem Gedankengut einer Tauschwirtschaft, die statt Eigentums- die Nutzungsrechte zuteilt, und im Weiteren mit dem Ansatz, den Materialien selbst Rechte zuzusprechen, die über Gebrauchs- und ausnahmslosen Weiterverwertungszyklus gewahrt bleiben müssen.
Dieses fraglos anspruchsvolle Modell skizzieren uns die Autorinnen in ihrem Kompendium in einleuchtender Übersichtlichkeit und gleich ergänzt um den Entwurf einer Deklaration der Materialrechte und einer brillanten Verteidigung des holistischen Naturbilds. Man mag sich zwar im Einzelnen auch weniger komplexe Lösungen vorstellen können - über schlichte gesetzliche Recyclinggebote etwa, wie sie hierzulande etwa in der Bauwirtschaft greifen. Doch der Vorteil des Konzeptes bleibt, dass es sich nicht auf einzelne Branchen und Brennpunkte beschränkt, sondern universell an der Wurzel ansetzt. Worüber es dabei grundsätzlich noch nachzudenken gilt, ist die Vorstellung, das Produkteigentum bei den Produzenten zu belassen. Immerhin sind Eigentumsverhältnisse auch immer Machtverhältnisse. Da sich hierfür jedoch praktikable Abhilfe denken lässt, bleibt das inspirierende, bemerkenswert konsequente Buch ein unbedingt der Lektüre lohnendes: In seiner stichhaltigen Analyse der aktuellen Verhältnisse ebenso wie in der Visionskraft des vorgestellten Produktionsmodells.
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