Autor | Ernst Paul Dörfler |
Verlag | Hanser |
Umfang | 280 Seiten |
ISBN | 978-3-446-26185-3 |
Preis | Fr. 27.60 (UVP) |
Wer sich unsere Buchbesprechungen der letzten Wochen ansieht und meint, wir hätten es dieses Frühjahr wohl mit den Vögeln, der oder die hat völlig recht. Doch was soll man machen: Schon in schlechteren Zeiten ist der Buchausstoss der Ornithologinnen und Ornithologen stets ganz achtbar, und manchmal häufen sich dann halt die Publikationen, die wir hier auch gewürdigt haben wollen. Die neueste dieser Veröffentlichungen ist dieses einnehmende Buch des Ökochemikers, Umweltschützers und Vogelliebhabers Ernst Paul Dörfler, in dem er uns die Vögel nicht nur als ein faszinierendes Gegenüber, sondern hier und da gar als Vorbilder näher ans Herz schreibt... Moment. Vögel? Vorbilder?
Affen haben Gesichter, die wir lesen können (oder es zumindest meinen); Hunde lesen unseres: Das schafft Nähe. Wenn wir uns im Tierreich also nach Verwandten oder Analogien umschauen, so schielen wir eher in Richtung des Löwenäffchens als nach Amsel, Drossel, Fink und Star. Und so allgegenwärtig die Piepmätze in unserer Überlieferung und Kultur auch sein mögen, bewegt uns das Aussterben des Gorillas üblicherweise doch stärker als jenes des Trauerschnäppers. Gleich als erstes schreibt Ernst Paul Dörfler deshalb gegen diese Minderwertung der Vögel an, indem er leichthin aufzeigt, wo überall uns diese in ihren Sinnesleistungen und Fertigkeiten überlegen sind - wenn wir nur unsere Fixierung auf unser schlaues Köpfchen mal kurz beiseitelassen. Und selbst da...
Nachdem das ebenso kurzweilig wie freundlich erledigt ist - und wir beiläufig eine bündige Einführung in Anatomie und Kognition der Vögel genossen haben - steigt er ein in den eigentlichen Schwerpunkt seines Buches. Der sortiert sich rund um ihr Sozialleben. Gesang, Partnersuche und Partnerschaftspflege, Nestbau, Brutsorge, Spiel- und Lernverhalten der Vögel veranschaulicht er uns am aktuellen ornithologischen Wissensstand in all ihren abwechslungsreichen Varianten. Hauptsächlich hier verortet er die Lektionen, die uns die Vögel zu bieten haben; namentlich in ihrem Hang zur Gewaltlosigkeit, in ihren Tugenden der Treue, Fürsorge und Kooperation. Er mag da zur Anthropomorphisierung und Naturalisierung ebenso neigen wie zur Interpretation von Verhaltensweisen zu Gunsten seines ethischen Ansuchens, doch das dann allenfalls mit einem Augenzwinkern. Und keineswegs lässt er sich davon verleiten, jene Fälle, die dem landläufigen Wertestandard zuwiderlaufen - die geflissentlichen Seitensprünge vieler Vögel etwa oder die geschwistermörderischen Triebe so mancher ihrer Küken - einfach zu unterschlagen. Er setzt sie stattdessen in Kontext und fördert so ganz insgesamt unser Verständnis der Lebensherausforderungen unserer gefiederten Nachbarn.
Diese findige Gegenüberstellung von Mensch und Vogel, so anregend und charmant sie Ernst Paul Dörfler auch gelingt, ist indessen noch gar nicht der vorrangige Grund, weshalb wir auf sein Buch hier lobend hinweisen. Der ist vielmehr, wie vorzüglich es sich eignet, die Vogelwelt all jenen zugänglich und spannend zu machen, für die Spatz und Schwalbe bislang allenfalls eine Irritation im Augenwinkel sind. Es versammelt ein so vergnügliches Potpourri an ornithologischen Einsichten, Fun Facts, Kenntnissen aus Kultur- und Evolutionsgeschichte, Anekdoten und feinfühligen Beobachtungen, dass es sich breitentauglich als eine begeisternde Einführung in die Ornithologie anbietet. Diese Berufung zum kundigen Botschafter aus der Vogelwelt verbindet Ernst Paul Dörfler höchst wirksam mit der Sensibilisierung dafür, warum uns die akute Gefährdung so vieler Vogelarten nicht egal sein kann. Die titelgebende Nestwärme - gedeutet als Wille zur Fürsorge - sucht und verteidigt er denn auch nicht nur im Vogelnest, sondern ebenso bei den Menschen untereinander und der Menschheit gegenüber ihrem angegriffenen Erdennest.
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