Autor | Bart Rossel / Medy Oberendorff (Ill.) |
Verlag | Gerstenberg |
Umfang | 92 Seiten |
ISBN | 978-3-8369-5646-8 |
Preis | Fr. 32.70 (UVP) |
Lasst uns ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern: Als wir dieses Sachbilderbuch unter den Neuankündigungen dieses Frühjahrs entdeckten, überlegten wir hin und her, ob wir es überhaupt näher begutachten sollten. Gerade die letzten Jahre gingen so einige Kinderbücher zu Insekten über unseren Tisch; hier unter unseren Buchtipps tauchte keines davon auf. Der Gründe hierfür sind hauptsächlich zwei. Entweder nahm es das Buch mit seiner Unterscheidung der Tiergruppen nicht so genau und behandelte Spinnen, Hundertfüsser, Ameisen und Asseln gleichermassen: Hauptsache klein. Mag man auch die wissenschaftliche Schubladisierung irdischer Lebensformen möglicherweise für ausgemachten Unsinn halten - was wir nicht tun -, so wäre es doch zu begrüssen, Kinder über solche gebräuchlichen Zuschreibungen nicht noch zusätzlich zu verwirren...? Im andern Fall waren es meist Bände aus renommierten Kindersachbuch-Reihen, die zwar als fachlich solide zu gefallen wussten, aber dann eben doch nicht durch herausragende Originalität herausstachen.
Dass dieses leicht überformatige Bilderbuch des Niederländers Bart Rossel und der gewieften Illustratorin Medy Oberendorff jetzt hier auftaucht, zeigt uns also schon mal zweierlei: Dass hier auch spezifisch Insekten, Kerbtiere, sechsbeinige Krabbler, Summer und Flatterer drin sind, wo Insekten draufsteht. Und dass es dann, neben entomologischer Fachkenntnis und Sorgfalt, auch noch ein Gutteil pädagogischen Bedachts und kreativer Inspiration vorzuweisen hat. Zum Beispiel gleich eingangs in dem Explosionsplan einer Heuschrecke, anhand dessen uns der "Bauplan" eines Insekts höchst anschaulich auseinandergesetzt wird. Oder, mehr hintenraus, in der eindrucksvollen Ansicht einer sich durch die Haare hangelnden Laus. Wobei dies jetzt recht beliebige Beispiele sind: Ganz allgemein vereint sich in den Illustrationen des Buches Akkuratesse mit Einfallsreichtum und stimmungsvoller Atmosphäre. Mal schauerlich, mal bezaubernd lässt sich Medy Oberendorff stets etwas einfallen, ihren manchmal täuschend simpel komponierten Zeichnungen besonderen informativen Wert über den offensichtlichen, ästhetischen hinaus beizugesellen.
Bart Rossel geht es indessen darum, uns über die essentielle Bedeutung der Insekten, unbesehen ihrer Kleinheit, umfassend aufzuklären: Seine berufliche Expertise, in der es mehr darum geht, sie zu bekämpfen, hat seine Leidenschaft für sie ganz offensichtlich nirgends angekränkelt. Geradeaus macht er sich daran, die schier endlose Faszination und überwältigende Vielfalt all der Käfer, Falter, Ameisen, Bienen, Zikaden oder Fliegen in kurze, vergnügliche Texte zu packen. Dass ihm dies gelingt, ohne dabei die gängigen Vorurteile und Ängste zu bestärken, können wir als sein besonderes Kunststück feststellen. In der Auswahl seiner Themen geht er, neben all den erstaunlichen Fakten zu Lebensweise, Verteidigungsstrategien, Kommunikation oder Liebesleben der Insekten, unerschrocken auch dahin, wo's gruselt: Zum Gerichtsmediziner etwa, der den Todeszeitpunkt einer Leiche anhand ihrer "Bewohner" bestimmt. Oder zur wenig freundlichen Gewohnheit der Zombiefikation von Schaben, wie sie die Juwelenwespe beherrscht. Im Gleichgewicht mit hübschen Faltern und prächtig schillernden Käfern erhalten wir so eine beeindruckend weitläufige Übersicht über die verblüffenden Fertigkeiten der "Supertiere" auf angenehm überschaubarem Raum.
Der reine Informationsgehalt des prächtigen Sachbilderbuchs ist damit sichergestellt: Als pädagogisch sinnvoll gilt üblicherweise ausserdem, dem Publikum Anknüpfungspunkte ans eigene Dasein zu geben. Das tun Autor und Illustratorin konsequent durchs ganze Buch, sei es in den Zeichnungen, die sich auf vertraute Motive konzentrieren, sei es in den Ausführungen, die die Leserinnenschaft zur Erinnerung eigener Erlebnisse und zur eigenen Beobachtung anstupsen. Gewürzt wird das schliesslich mit allerlei Erzählungen aus Geschichte und Mythos, die die kleinen Helden, Helfer, Diven und Trickster in Bezug zur Menschheit setzen. So entsteht ein in Gehalt und Gestaltung bestrickend ausgewogenes und attraktives Sach- und Bilderbuch, in dem sich Kenntnisse und Faszination der Insekten zu einer überzeugenden Bestätigung des Werts der Vielfalt verbinden.
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