Autor | John Lewis-Stempel |
Verlag | DuMont |
Umfang | 349 Seiten |
ISBN | 978-3-8321-8285-1 |
Preis | Fr. 30.40 (UVP) |
Alle paar Monate begegnet uns ein Buch, das wir für unbedingt lesenswert halten, auch wenn es uns während der Lektüre ein paar lastende Irritationen aufbürdete. Dieser Erfahrungsbericht des englischen Farmers und Autors John Lewis-Stempel ist ein solches.
Von John Lewis-Stempel haben wir hier bereits einmal ein Buch angepriesen. Jenes erste auf Deutsch erschienene Werk war im englischen Original ein späteres, weshalb wir uns nun mit diesem zweiten näher am Beginn der Schreibtätigkeit des Autors befinden. Seinen Hof Trelandon in Herefordshire am Fuss der Black Mountains, den wir aus seiner letzten Veröffentlichung bereits gut kennen, nimmt er gerade erst in Besitz. Das ist verbunden mit allerlei Instandstellungsarbeiten und finanziellen Unsicherheiten, die ihn in seinem Entschluss bestärken, sich für die Dauer eines Jahres ausschliesslich von dem zu ernähren, was sein Grundstück an wildem Wachstum hergibt: Als ein eigentlicher Sammler und Jäger also. Das zieht er dann auch konsequent durch - abgesehen von jenen verzeihbaren Gelegenheiten, da sich seine Frau oder seine zwei Kinder ernstlich Sorgen um seine Gesundheit und Laune zu machen beginnen und ihm etwas zur Verköstigung aufzwingen, was sie ausserhalb der Grundstückgrenzen gesammelt haben. Von den misslichen, den amüsanten und den letztlich erhellenden Erfahrungen, die er während dieses Jahres macht, berichtet er uns heiter und offenherzig in seinem Buch.
Eine der ersten Erhellungen, die uns heimleuchten, ist die darüber, warum die Jagd- und Sammeltätigkeit unserer Ahnen eine Gruppenleistung und keine Solo-Darbietung war. Die vollwertige Ernährung von Wildfrüchten und Jagdbeute, so erkennen wir schnell, wäre schon eine Herausforderung für einen Einzelnen, wenn dieser nicht daneben noch einen Hof führen und den Anforderungen der modernen Gesellschaft genügen wollte. Das hindert dann aber John Lewis-Stempel nicht, uns von seinen Erlebnissen mit zündender Begeisterung und in wachsamer Anschaulichkeit zu erzählen. Er begegnet uns greifbar und erdverbunden, mit manchmal knurrigem, dabei aber durchwegs freundlichem Humor. Und betreffs eines praktischen Nutzens seines Buches versorgt er uns regelmässig mit verlässlich selbsterprobten Wildpflanzen-Rezepten, die ihren besten Dienst wohl jenen tun, die zufällig in Herefordshire am Fuss der Black Mountains leben, aber einen unentwegt dienlichen auch allen anderen.
Die angekündigten Irritationen rankten sich uns zunehmend um seine Jagdtätigkeit. Nicht etwa grundsätzlich, weil er zu seiner Selbstversorgung in moralisch und gesetzlich gerechtfertigtem Rahmen Kaninchen und Enten schiesst. Sondern darum, weil die Auseinandersetzung mit der Jagd, den Planungen, Verteidigungen und Überlegungen dazu sehr viel Raum okkupiert. Die Beschäftigung damit entwickelt sich - mit Höhepunkt etwa im dritten Viertel des Buches - zu einer eigentlichen Obsession. Sie verdrängt Themen, die wir gern vertieft gesehen hätten, mit immer zwanghafter wirkenden Auflistungen von Jagderfolgen und –frustrationen und repetitiven Schilderungen von Jagderregung und Gewissenszwiespalt.
Diese Fokussierung prägte unser Leseerlebnis: Das dann aber nicht in einem Mass, dass uns John Lewis-Stempels Buch nicht noch ein gutes Stück darüber hinaus bereichert und beeindruckt hätte. Es setzt ein geistreiches Gegengewicht zu all den sehnsüchtigen Landlust-Literaturen, die gerade den Markt überschwemmen, ohne dafür dem Wert einer naturverbundenen Achtsamkeit zuwiderreden zu wollen. Es bringt uns vielmehr ins rechte Gewicht als höchst leibliche Teilhaber dieser Natur und sucht in geerdeter Poesie und ungeschönter Ehrlichkeit nach dem respektvollen Umgang mit ihr.
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