Autor | Matías Dewey / Caspar Dohmen / Nina Engwicht / Annette Hübschle |
Verlag | Klaus Wagenbach |
Umfang | 173 Seiten |
ISBN | 978-3-8031-3690-9 |
Preis | Fr. 27.60 (UVP) |
Neben der Wirtschaft gibt es die Schattenwirtschaft. Damit gemeint ist das Konglomerat von informellen – der gesetzlichen Gestaltung entzogenen – und illegalen Märkten, die im Schatten der regulären und regulierten Wirtschaft tätig sind. Und die sind auf dem Vormarsch. Ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung, aber über die Hälfte der Erwerbstätigen, entfallen Schätzungen zufolge auf sie: Tendenz steigend. Durchaus relevant und wertvoll also, einen genaueren Blick auf ihre Mechanismen und Voraussetzungen zu werfen.
Diesem analytischen Blick verschrieb sich eine Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung. Ihre umfangreichen Feldforschungen mit hunderten von geführten Interviews giessen die Forscherinnen aus den Fachdisziplinen der Soziologie, Kriminologie und Politikwissenschaft nun, unterstützt vom versierten Wissenschaftsjournalisten Caspar Dohmen, in dieses übersichtliche und laienverständliche Buch. Objekte ihrer Studien sind drei sehr unterschiedliche illegale Märkte: Der illegale Diamantenbergbau und -handel in Sierra Leone, die Nashornwilderei in Mosambik und Südafrika sowie die Bekleidungsproduktion und der Textilhandel auf dem illegalen Markt von La Salada, Buenos Aires, Argentinien. Wobei uns persönlich hier im ersten Impuls die zu gewinnenden Erkenntnisse zu Methoden und Verstrickungen der Nashornwilderei interessierten: Wenn auch bereits in der Ahnung, dass die weiteren Belange sich ebenso als umweltrelevant herausstellen könnten. Und so kam’s dann ja auch.
Betreffs der Wilderei und dem Handel von Nashornhörnern stiessen wir auf neue Erkenntnisse selbst da, wo wir sie nicht erwarteten: In der dahinterliegenden Motivation der Wilderer. Natürlich spielt das liebe Geld hier die wesentliche Rolle, doch die (vielleicht nur vorgeschobene, wiewohl aber wirkmächtige) Rechtfertigung für ihr Tun nährt sich zudem aus fortgesetzten Ungerechtigkeiten der Kolonialzeit und der Apartheid – übertragen spezifisch auch auf Umweltorganisationen. Eine doch sehr wesentliche Information, wo es um einen planvollen Tierschutz geht. Vergleichbare Einsichten und Korrekturen hält das Buch an allen Ecken und Enden bereit. Dabei beweist sich - ob es nun um Korruption und Ausbeutung im Diamanthandel oder um die Rolle des Staates und des globalen Wirtschaftsgeschehens betreffs der Organisation und der Arbeitsverhältnisse von La Salada geht - doch durchgehend, dass die Entwicklungen zur Nachhaltigkeit ohne parallele Anstösse zur Gerechtigkeit scheitern müssen. Eindrucksvoll zeichnen die Autorinnen dann auch nach, wie die Bemühungen um Arbeitssicherheit, um Vertrauen, Gesundheitsvorsorge und Stabilität – also die Errungenschaften der regulären Wirtschaft – auch in den illegalen Märkten mannigfaltigen Ausdruck finden. Mit welchen empfohlenen und zu empfehlenden Mitteln dem destruktiven Wachstum der Schattenwirtschaft beizukommen wäre, unterziehen sie schliesslich noch einer kritischen und inspirierenden Prüfung.
Die bemerkenswert unvoreingenommene, scharfsinnige und dabei ja für die Autorinnen durchaus auch risikobehaftete Aufarbeitung eines so belangreichen wie marginalisierten Problems ist schon grundsätzlich der Anerkennung wert. Zwar lässt sich festhalten, dass die abschliessend umrissenen Lösungen sich überwiegend innerhalb traditioneller Konsumlogik bewegen. Das ist dann aber Ausdruck des Willens, hier zu handfesten statt utopischen Anregungen zu gelangen. Und auch die Frage, inwieweit Interviews und historische bzw. journalistische Recherchen bereits hinreichen, ein belastbares, ausgewogenes Bild der Situation zu zeichnen, stellt sich nur zweitrangig: Versteht sich das Buch doch im Wesentlichen auch als fruchtbares Fundament und verständige Wegweisung zu nötiger, ergänzender Forschung. Dabei überzeugt es bereits aus sich selbst heraus mit seiner umfangreichen, vielschichtigen und allezeit überraschenden Analyse einer Aufgabenstellung, wie sie für die Gestaltung einer gerechten, zukunftsfähigen Welt kaum bedeutsamer sein kann.
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