Buch «Losing Earth»

Buch «Losing Earth»

Der Kampf um wirksamen Klimaschutz ging erstmals bereits in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts verloren. Nathaniel Richs aufwändig recherchierte Reportage klärt uns dazu auf, wie das so vor sich ging, und entwickelt sich zu einer wuchtigen Warnung, die damaligen Irrwege nicht erneut einzuschlagen.

 Autor Nathaniel Rich
 Verlag Rowohlt Berlin
 Umfang 234 Seiten
 ISBN 978-3-7371-0074-8
 Preis Fr. 30.40 (UVP)

 

In den letzten zwei Monaten fanden wir dieses neue Buch des amerikanischen Journalisten und Schriftstellers Nathaniel Rich bereits mehrfach in verschiedenen Neuerscheinungen zum Klimawandel angesprochen: Eine bemerkenswerte Leistung, bedenken wir, dass es auch im englischen Original erst Anfang des Jahres erschien. Den Kampf um Aufmerksamkeit hat es damit schon einmal gewonnen. Und das durchaus zu Recht, wie wir gleich mal festhalten können; auch wenn wir im Folgenden eine kritische Bemerkung dazu einwerfen werfen. Nathaniel Richs historische Reportage über das Versagen der amerikanischen und überhaupt der internationalen Politik angesichts der Klimakatastrophe ist erhellend, bedeutsam und aufwühlend.

Die Chance, den Klimawandel – damals noch als Treibhauseffekt bekannt – glimpflich abzuwehren, wurde erstmals bereits in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts verspielt. Anhand akribischer Recherche und zahlreicher Interviews setzt uns Nathaniel Rich ein detailliertes Bild zusammen, wie das damals vor sich ging. Er folgt dabei hauptsächlich den Biografien zweier früher Streiter gegen die Klimakatastrophe: Dem beharrlichen, gleichwohl weithin vergessenen Umweltlobbyisten Rafe Pomerance und dem namhaften, kämpferischen Klimaforscher James Hansen. Um ihren Zug durch die Institutionen und Konferenzen, ihre unbeirrten Bemühungen um Aufmerksamkeit gegenüber der Wirkung der Treibhausgase auf unsere Atmosphäre webt er ein dichtes Netz all der politischen und wirtschaftlichen Akteure, die sich da zwischen 1979 und 1989 fast – aber eben nur fast – von der Notwendigkeit des Klimaschutzes überzeugen liessen. Mit derselben grimmigen Sorgfalt beleuchtet er dabei die Mechanismen politischer Kurzsichtigkeit und ökonomischer Interessenwahrung, die diese frühen Bemühungen zwischen sich zerrieben.

Ganz beiläufig beweist Nathaniel Rich mit seiner eindringlichen Berichterstattung aus dem Weissen Haus und dem US-Kongress, den Vorstandsetagen, Forschungsstätten und Umweltorganisationen, wie die wissenschaftliche Faktenlage schon vor vierzig Jahren genügte, um dem anthropogenen Klimawandel die benötigte Glaubwürdigkeit für ein unverzügliches Handeln zu sichern. Ebenso führt er uns in unheimlichem Déjà-vu bereits die ganze Parade an Reaktionsmustern vor, die Krise zu verdrängen: Von ignoranter Leugnung über Abwiegelung und blindem Technikoptimismus bis zur Verunglimpfung und schliesslich dem Start zielgerichteter Desinformation. Vor diesem historischen Hintergrund zeichnet er uns das damalige – und in der Fortsetzung aktuelle – Versagen zwar im Augenmerk als ein politisches, vor allem aber als ein moralisches. Er zielt auf Scham und Zorn und schafft ein begründetes Argument, Auswege aus dem Klimadebakel mehr in zivilem Ungehorsam und ausdauerndem Aktivismus als im Harren auf politische Übereinkünfte zu suchen.

Ihre beträchtliche emotionale Wirkung erzielt die aufwändig recherchierte Reportage nicht zuletzt mittels ihrer literarischen Qualitäten. Nathaniel Rich erzählt uns die frühe Schlacht um das Klima als eine dramatische Erzählung. Das ist eine Stärke seines Buches, und es ist sein Problem. Denn ganz in diesem Sinne besiedelt er es mit Helden, Opfern und Schurken und entrückt das Geschehen aus der Lebensrealität der Leserinnen in den grossen politischen Zirkus. In Folge seiner Bemühung, die Schurken als Schurken kenntlich zu machen und gegen sie die menschliche Tugend des Anstands in Position zu bringen, verlässt man es schliesslich doch besser ausgerüstet mit Schuldzuweisungen als mit aktiviertem Bewusstsein der Mitverantwortung. Das bringt uns zu unserem Ratschluss, es nicht als das einzige Buch zum Klimawandel zu empfehlen, dem man sich jemals aussetzen möchte. Sehr wohl aber empfehlen wir es als eine informierte und wuchtige Warnung, die Bewältigung der Klimakrise nicht erneut dem Gefecht der Regierungen und Wirtschaftskräfte zu überlassen. Während die aufwühlende Reportage zwar nicht als Wegweiser aus der Klimakrise dienen mag (einfach einen weiteren Klimaratgeber zu schreiben war ja auch nicht Nathaniel Richs Absicht), bietet es doch einsichtige und wertvolle Orientierung betreffs der Irrwege und Sackgassen, die auf diesem Weg erwiesenermassen zu vermeiden sind.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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