Autor | Ernst Hubeli |
Verlag | Rotpunkt |
Umfang | 189 Seiten |
ISBN | 978-3-85869-865-0 |
Preis | Fr. 17.-- (UVP) |
Jede Zeit, jede Kultur hat jeweils eigene Deutungen und Vorstellungen vom Wohnen. Da treffen sich die politischen und ökonomischen Prägungen der Wohnverhältnisse einerseits mit den individuellen Deutungen und Fantasien über das Wohnen auf der anderen Seite. Es stellen sich die Grundfragen: Spiegelt das Wohnen die Gesellschaft? Oder spiegelt die Gesellschaft das Wohnen?
Der Autor Ernst Hubeli, Architekt und Stadtplaner, ehemaliger Leiter des Instituts für Städtebau an der TU Graz und Chefredakteur der Fachzeitschrift Werk; heute Mitinhaber eines Architekturbüros in Zürich, startet sein Buch mit diesen Grundfragen.
In der Einführung betrachtet er das Wohnen unter dem Gesichtspunkt der politischen Ökonomie. Er weist auf den Widerspruch zwischen Immobilienmarkt und Arbeitsmarkt hin. Der Zivilgesellschaft wirft er vor, dass sie keinen alternativen Entwurf für das Wohnen bereithält: Der Traum vom Eigenheim ist nach wie vor Allgemeingut. Beleuchtet wird auch der Zusammenhang zwischen Immobilien- und Bodenmarkt.
Im zweiten Teil liefert er 10 Belege, dass das heutige Wohnungsangebot nicht zur derzeitigen Gesellschaft passt. Die moderne Wohnung orientiert sich an einem veralteten Schema der 1950er Jahre. Dies scheint sich für die Immobilienbranche zu lohnen, und die Behörden dulden die Macht der Investoren. Die eintönigen Stadtbilder und die horrenden Wohnungsmieten zeugen davon. Doch der Glanz einer Stadt entsteht vor allem durch eine aktive Stadtgesellschaft, die nur etwas bewirken kann, wenn man sie auch machen lässt.
Konkreter wird es im dritten Teil mit Berlin als Beispiel. Die Stadt kämpft mit politischen Mitteln gegen die Krise, insbesondere die Wohnungsnot. Es geht ihr vor allem darum, die Macht der privaten Immobilienunternehmen zu minimieren. Immer wieder zieht Ernst Hubeli hier Vergleiche zur Wiener Wohnbaupolitik. Wien hat es im Gegensatz zu Berlin geschafft, dass das gemeinnützige und städtische Wohneigentum den freien Markt dominiert.
Über Zuhause und Heimat geht es im letzten Kapitel. Wie entwickeln sich die Deutungen in die Zukunft? Durch die Digitalisierung werden sich auch die Wohnformen und die Nutzung von Wohnräumen verändern. Er plädiert für eine Überform der Architektur. Sie schreibt nicht alles vor, ist in diesem Sinne unvollkommen und unfertig. Beispielsweise erfüllen Wohnungen nicht das starre Schema Küche/Bad/Wohnzimmer/Elternschlafzimmer/Kinderzimmer; nur die Nasszellen sind klar definiert. Dadurch entstehen Spielräume, die es den Bewohnern ermöglichen, die Wohnung nach eigenen Vorstellungen einzurichten und zu nutzen.
Ernst Hubeli analysiert scharfsinnig, stellt Bezüge zu grossen Denkern wie Bourdieu und Heidegger her und zieht stimmige Schlüsse aus seinen Beobachtungen. Ein erhellendes Buch, das in die Hände von Immobilienmaklern und Stadtbehörden gehört.
Rezension: Christina Imobersteg
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