Autor | Robert Lutwyche |
Verlag | Haupt |
Umfang | 224 Seiten |
ISBN | 978-3-258-08093-2 |
Preis | Fr. 37.-- (UVP) (zZt. im Sonderangebot für Fr. 29.60) |
Einmal ein Schweinchen als Haustier zu halten, ist seit längerem eine, zugegebenermassen vage, Vorstellung Ihres Rezensenten. Leider rät ihm nun Richard Lutwyche unter den gegebenen Voraussetzungen davon eher ab. Und der Mann muss es wissen, beschäftigt er sich doch schon seit Jahrzehnten als namhafter Fürsprecher mit dem Schwein und dem Erhalt alter Nutztierrassen, nicht zuletzt in dem Bemühen, die hartnäckigen Vorurteile gegen das Tier abzubauen. Diesem letzten Gedanken ist merklich auch sein neues Informationswerk gewidmet. Dass es dafür nicht nur mit vielseitigem Wissen zur Evolution, Biologie und Verhalten des wilden und des domestizierten Schweins aufwartet, sondern dieses dann auch grosszügig in sympathische Bebilderung einbettet, unterstützt sein Anliegen einwandfrei.
Wahrscheinlich begegnen die meisten von uns heutzutage noch seltener einem Schwein leibhaftig als irgendeinem anderen unserer Nutztiere. Dementsprechend beginnt Richard Lutwyche sein Buch mit den grundlegenden Fakten und erläutert ausführlich die Anatomie und Physiologie dieses alten Begleiters des Menschen, vertiefend ergänzt um das Studium seiner Sinnesleistungen, der Darlegung seines Lebenszyklus und der Würdigung der vielen wertvollen Dienste, die es uns in Küche, Abfallentsorgung, Handwerk und in der Medizin stets leistete. Dass es uns die längste Zeit der Menschheitsgeschichte sehr viel näher, ja auf Tuchfühlung war, hat seinem Ruf indessen kaum geholfen. Unzählige Redensarten geben davon Zeugnis, wie es hierzulande überwiegend als schmutzig, gierig, faul, dumm und hässlich wahrgenommen wurde. Um nun dagegen vorzugehen, beglaubigt der Autor erst einmal die Tatsache, dass viele dieser vermeintlichen Untugenden schlicht einer nicht artgerechten Haltung geschuldet sind, und gibt in einer kleinen Kulturgeschichte des Schweins speziell auch der wohlgesonneneren Überlieferung Raum. Die Vorwürfe der Gier, der Faulheit und Hässlichkeit sind damit schon einmal über Bord, jener der Dummheit noch nicht: Diesen zu entkräften, bildet die Speerspitze seiner Attacke.
Dass die Intelligenz der Schweine mit jener der Hunde mithalten kann – wo sie diese nicht gar übertrifft – macht uns Richard Lutwyche über mehrere Vorstösse fasslich. Erst einmal, indem er die aktuellen zoologischen Erkenntnisse zu ihrer Kommunikation, Lernfähigkeit, ihrer Fähigkeiten der Problemlösung sowie ihrer ausgeprägten sozial-kognitiven Fertigkeiten nachvollzieht. Weiterhin, eher beiläufig, über verschiedene amüsante und aufschlussreiche, historische Anekdoten. Am überzeugendsten aber dadurch, dass er uns vorführt, bei welchen unterschiedlichen Aufgaben sie uns unterstützen können (und das auch schon verschiedentlich haben): Als Schafhüte-Schweine, Drogenschnüffler-Schweine, als Trüffelschweine natürlich oder auch – und zumindest uns am überraschendsten – als Jagdbegleiter und Vorsteh-Schweine.
Die Argumente sind damit versammelt, die Verhandlung geschlossen; Richard Lutwyche hat uns mit seinem informativen und bemerkenswert attraktiven Buch von der Liebenswürdigkeit und dem unterschätzten Wert des Schweins umfassend überzeugt. Seiner zweiten Herzensangelegenheit des Erhalts alter Nutztierrassen gibt er dann noch einmal im Abschluss seines Buches Raum, in dem er uns 30 Schweinerassen aus aller Welt kurz porträtiert. Einziger Wermutstropfen (neben der Sache mit dem Hausschweinchen) ist somit, dass sich Richard Lutwyche – trotz aller engagierten Fürsprache für eine artgerechte Schweinehaltung – von der Vorstellung des Menschen als Vorsteher über die Tiere noch nicht weit entfernt hat. Da machte uns (die wir das aus unserer üblichen Lektüre gar nicht mehr gewohnt sind) seine fast ausschliessliche Beurteilung des Werts des Tieres als einem Nutzwert verschiedentlich stutzen. Wir empfehlen dieses Stutzen; aber auch, sich davon dann nicht aufhalten zu lassen. Das Buch erreicht in seiner grosszügigen Aufmachung und seiner fachlichen Kompetenz genau das, was es sich vorgenommen hat: Mittels erweitertem Wissen und Empathie das landläufige Bild des Schweins zu korrigieren und zu einem rücksichtsvolleren Umgang mit ihm anzuleiten.
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