Autor | Bernd Ladwig |
Verlag | Suhrkamp |
Umfang | 411 Seiten |
ISBN | 978-3-518-29915-9 |
Preis | Fr. 31.50 (UVP) |
In den bald zehn Jahren, in denen wir hier regelmässig unsere Buchtipps abgeben, hat sich in der Sache der ethischen Würdigung von Tierrechten zwar kein Quantensprung getan. Die diesbezüglichen Gedanken und Provokationen haben sich aber dennoch immer vernehmbarer in die gesellschaftliche Debatte geschlichen – was angesichts der Beständigkeit der Weltbilder, gegen die sie antreten, durchaus als ein Erfolg zu werten ist. Zur weiteren Fundierung solcher Fortschritte, die einer kritischen Öffentlichkeit weder sektiererisch noch abschätzig entgegen treten, entwirft uns Bernd Ladwig mit diesem Buch eine wegweisende politische Philosophie der Tierrechte.
Wegweisend ist die ausdifferenzierte Arbeit des Berliner Professors für Politische Theorie und Philosophie weniger darin, dass sie keine Vorgänger hätte. Tatsächlich ist Bernd Ladwig mit all diesen Vorgängerinnen bestens vertraut und orientiert sich ausführlich an deren Positionen und Argumenten – speziell auch jenen der Kanadierinnen Sue Donaldson und Will Kymlicka in ihrem massgeblichen Werk Zoopolis, dessen kritischer Würdigung er besondere Aufmerksamkeit schenkt. Wegweisend ist sein Entwurf, da er in seiner Ausarbeitung die Grenzen der Vermittelbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Tierrechten gegenüber einer breiten Bevölkerung stets im Hinterkopf behält. Dem diesbezüglichen Stolperstein – der potenten Erzählung von der moralischen Sonderstellung des Menschen im Tierreich – rückt er dann auch nicht mittels Zertrümmerung zu Leibe, sondern durch fortschreitende Einebnung.
Trotz dieser Zielorientierung an einer gesamtgesellschaftlichen Vermittelbarkeit von Tierrechten versucht sich sein Buch nicht vorrangig an Überzeugungsarbeit. Bernd Ladwig ist es an der Durchdringung und Klärung der vielstimmigen ethischen Fachdiskussion gelegen und damit – im ersten Teil seines Buches – an Grundbegriffen der Moral und ihrer Anwendbarkeit auf die Tierwelt. In seinem bereits stark diskursiv geprägten Überblick über die diesbezüglichen Positionen verteidigt er seinen interessentheoretischen Ansatz, schon fokussiert auf dessen politische Konsequenz: Also auf die Frage, inwiefern wir den unterschiedlichen Wild- und Nutztieren Rechte gutsprechen können und sollen. Hier laufen eine Vielzahl von Themen wie etwa der Tierhaltung, der Tierversuche oder des Wildtierschutzes zusammen, denen er in all ihren besonderen Problemstellungen nachspürt. Der spezifischen Verhandlung, wie ein gerechtes Zusammenleben von Tier und Mensch im politisch-rechtlichen Kontext aussehen sollte, widmet er dann den ebenso tiefschürfenden zweiten Teil seines Buches. Besonderen Wert legt er auch hier wieder auf eine praktikable Ausdeutung und Implementation von moralischen Rechten, indem er etwa den Tatendrang darauf lenkt, dem schlimmsten Unrecht auch als erstem entgegenzutreten – und überhaupt festzumachen, wo jenes Schlimmste denn zu verorten sei. Er folgt hierfür einer empathischen Prämisse, wie sie in unserem Umgang mit Tieren stets schon Widerhall fand, und erarbeitet ihr nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand und soliden ethischen Massstäben Konsequenz.
Bernd Ladwigs Argumentation bewegt sich – wie schon festgestellt – auf voller Höhe der gegenwärtigen Fachdiskussion. In seinem Bemühen, jedem Satz die volle Präzision angedeihen zu lassen, stösst er dabei gelegentlich die Konzentrationsfähigkeit seines Publikums an ihre Grenzen. Wiewohl wir seine einsichtsvolle Publikation also keinen Einsteigerinnen in die Tierrechtsdebatte anempfehlen können, halten wir sie zwecks deren weiteren Gedeihens für unvermindert bedeutsam und wertvoll. Das nicht zuletzt darum, da der Autor schon viele Detailfragen vorwegnimmt, die sich der breiteren Verhandlung der Tierrechte erst stellen werden, und diese sorgsam auslotet. Bernd Ladwig baut uns damit eine stabile Grundlage und Handleitung in eine tiergerechtere Zukunft, die sich bedachtsam an unserem gegenwärtigen Wissen um tierliche Bedürfnisse orientiert, ohne dabei über die menschlichen vorschnell hinwegzutrampeln.
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