Buch «Das Gedächtnis der Welt»

Buch «Das Gedächtnis der Welt»

Vom Finden und Ordnen der Pflanzen

Können Sie sich für Pflanzen begeistern? Für Wissenschaftsgeschichte? Ja? Nein? Völlig egal: Marc Jeanson und Charlotte Fauve gelingt mit ihrem poetischen Buch das immer noch rare Kunststück, uns alles beides im lebensprallen Belang für unser eigenes Dasein vorzuführen.

 Autor Marc Jeanson / Charlotte Fauve
 Verlag Aufbau
 Umfang 224 Seiten
 ISBN 978-3-351-03462-7
 Preis Fr. 30.40 (UVP)

 

Marc Jeanson ist… ja, was ist er denn nun genau? Ganz sicher mal Botaniker, und als solcher ein Experte für Palmen. Er ist Direktor des Herbariums im Muséum nationale d’histoire naturelle in Paris, versteht sich nach eigenem Bekunden aber mehr als Pflanzenfinder und Pflanzenerfinder. (Wobei er natürlich nicht wirklich die Pflanzen erfindet, sondern ihre Namen, und auch die nach den Regeln botanischer Klassifikation.) Und nicht zuletzt bewährt er sich jetzt, im Schulterschluss mit der Journalistin und Landschaftsplanerin Charlotte Fauve, auch noch als fabelhafter Autor. Sein Buch handelt – wie unschwer zu erraten – von Pflanzen. Es liest sich jedoch wie ein lebenspralles Amalgam aus Reisetagebuch, botanischem Führer und Indiana Jones.

Das kommt so: Wir starten in das Buch über kurze Anekdoten aus Marc Jeansons Kindheit und Jugend, werfen einen kurzen Blick in seine von Blüten und Blättern belagerte Wohnung und auf die Arbeit des Botanikers in den Hinterzimmern des Herbariums. Nicht sonderlich aufregend, denken wir, und fahren fort… Um uns dann ein paar Seiten weiter bereits Hals über Kopf in den Dschungel geworfen zu finden, auf der Fährte eines obskuren Naturforschers, der gerade zur Mehrung des botanischen Wissens Leib und Leben riskiert. Adanson heisst der und ist nur der erste einer langen Reihe. Er könnte auch Jeanson heissen: Wir befinden uns auf einer Reise durch die Jahrhunderte der naturforschenden Entdeckungen, die dann häufiger wieder beim Autor enden, der sich in China, in Südamerika, auf Madagaskar oder in New York an die Hacken seiner mal berühmten, mal vergessenen Vorgänger heftet. Zur Erholung graben wir zwischen den ächzenden Regalen des Pariser Museums in Kisten, verrosteten Reisekoffern und Stoffschachteln voll unbearbeiteter botanischer Schätze nach den säuberlich plattgedrückten Belegexemplaren, die die präzise Beschreibung einer noch unklassifizierten Pflanze ermöglichen sollen – und uns dann zuverlässig auf den nächsten Ausflug schicken.

Das Buch von Charlotte Fauve und Marc Jeanson kann nicht mit einem stringenten Aufbau aufwarten. Das ist durchaus gewollt und mehrt seinen Reiz: Es präsentiert sich als ein prächtiges Dickicht, in dem hinter jedem Baumstamm, jedem Blütenblatt neue Entdeckungen warten. Das immense botanische und historische Sachwissen Marc Jeansons übermittelt sich genauso eingängig und lebhaft wie sein persönliches Erlebnis, seine unermüdliche Begeisterung für die Pflanzenwelt springt mit Anlauf über. Dabei ist sein poetischer Lobgesang auf deren Vielfalt und Lebenskraft selbst im Problembewusstsein um das Artensterben noch optimistisch und steht damit der emotionalen Wirksamkeit seiner Botschaft - der schicksalshaften Verflechtung der Pflanzen- mit der Menschenwelt - nirgends selbst im Weg. Wir würden das Buch als die perfekte, natursensitive Sommerlektüre empfehlen, näherte sich der Sommer nicht schon seinem Ende: Macht aber nichts, seine Inspirations- und Begeisterungskraft bewahrt es über die Jahreszeiten hinweg.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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