Autor | Uta Ruge |
Verlag | Antje Kunstmann |
Umfang | 477 Seiten |
ISBN | 978-3-95614-387-8 |
Preis | Fr. 38.60 (UVP) |
„Think globally, act locally“ fordert uns ein bekanntes Schlagwort auf, das regionale und das transnationale, das Grosse mit dem Kleinen zusammenzudenken. In ganz eigener Konsequenz folgt ihm Uta Ruge, indem sie die Geschichte und Gegenwart ihres Herkunftsdorfs im Weltzusammenhang erforscht. Das daraus resultierende, verblüffende Buch verbindet Lokalgeschichte und „Kulturgeschichte von unten“ mit differenzierten Erörterungen der Rolle der Agrarwirtschaft im Bemühen um eine nachhaltige Zukunft.
Knapp dreihundert Jahre ist es her, seit damals die Stadt Hannover die norddeutschen Moore verstärkt urbar machen wollte und das Dorf, in dem die Bauerntochter Uta Ruge ihre Kindheit verlebte, sich aus dem flachen Land ins Dasein hob. Dreihundert Jahre, geprägt von Nöten und Herausforderungen, die sich von jenen unseres hiesigen, voralpinen Landlebens wesentlich unterscheiden – und sich dabei doch in ihren Dynamiken auch immer wieder mal aufschlussreich aneinanderfügen. Die Autorin gibt sich in der Erkundung dieser Zeitläufte mit den grossen Ereignisketten nicht zufrieden. Sie taucht ab in die Archive und ein in die Lebenswelten der Bauernschaft, erkundet Einzelschicksale, erörtert Problemstellungen und gemeinschaftliche Bewältigungsstrategien. Daneben streift sie über Land, sammelt Stimmen zur Zeitgeschichte und ergänzt und belebt diese mit ihren eigenen Erinnerungen.
Diese ihre individuellen Erinnerungen waren es, die uns persönlich die Lektüre zwischendurch erschwerten. Uta Ruge startet und endet ihre faszinierenden Exkursionen bei ihnen und den Beobachtungen, die sie anlässlich ihrer Besuche auf dem Hof ihres Bruders macht. Uns, mit unserem sachorientierten Geist, verharrte sie verschiedentlich zu redselig darin. Doch da wir gleichfalls wissen, dass das Interesse an solchen autobiografischen Berichten robust und wach ist, mag uns das kein dringender Einwand sein – mal ganz abgesehen davon, dass sie den doch sehr komplexen Betrachtungen viel Atmosphäre anfügen.
Schon gar keiner Beanstandung wert ist uns dann, wie Uta Ruge sich den aktuellen Ansprüchen an Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft nähert. Die pointierten Auseinandersetzungen damit durchweben den gesamten Text. Kritisch, aber detailliert problembewusst kontrastiert sie die diesbezüglichen Vorstellungen an den vorgefundenen Realitäten und setzt sie in Bezug zu lokaler Siedlungsplanung und globaler Agrarpolitik. Dass wir aus dieser reflektierten Gesamtschau gelegentlich etwas ratlos heraustreten, kann frustrieren, ist aber angemessen. An der differenzierten Betrachtung, an der Uta Ruge gelegen ist, finden ideologisierte Hau-Ruck-Lösungen oder simplifizierte Feindbilder keinen Halt: Im Gewahrsam dieser Komplexität liegt aber das Vermögen, zu einer zweckvoll nachhaltigen Ernährungswirtschaft vorzudringen. Das Verdienst, uns das eindrucksvoll heimzuleuchten, muss vor ihrer anderen Leistung der herausragenden historischen Rechercheleistung nicht zurückstehen.
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