Autor | Peter-René Becker |
Verlag | Hirzel |
Umfang | 232 Seiten |
ISBN | 978-3-7776-2848-6 |
Preis | Fr. 34.80 (UVP) |
Kultur! Sie galt die längste Zeit als die trennscharfe Grenze zwischen Tier- und Menschenwelt, definierte diese Grenze in solchen Begriffen wie etwa der Kultur- kontra der Naturwissenschaft. Mit den Beobachtungen des Werkzeuggebrauchs bei Menschenaffen – und der kulturellen Weitergabe dieser Fertigkeiten – verwischte sich diese Eindeutigkeit nachhaltig, und seither ist sie nur immer weiter zerbröselt... Das half erst mal einem neuen (Selbst-)Verständnis des Menschen in seiner lebendigen Umwelt, doch indessen werden die Übereinstimmungen auch oft überinterpretiert. Da verschwimmen sie dann zu einem trüben Gewässer, aus dem die Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen kognitiven Anpassungen kaum mehr herauszulesen sind. Hier eilt nun Peter-René Becker herbei, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des menschlichen und tierischen Werkzeuggebrauchs ins rechte, kritische Licht zu rücken.
Als Biologe, Ethologe und Völkerkundler ist Peter-René Becker besonders geeignet, die jeweiligen Eigenarten des Werkzeuggebrauchs in der Tier- und Menschenwelt sachverständig herauszuarbeiten und in das erweiterte Kulturverständnis einzuordnen. Herausragend deutlich beweist sich diese Stärke im Abschluss seines Buches, in dem er zwecks einer kritischen Einordnung der Erkenntnisse die beiden Disziplinen zusammenführt und in den Kontext der grossen Fragen der Menschwerdung, des Bewusstseins und der Kulturentwicklung stellt. Dem voraus geht derweil – nicht weniger ambitioniert – die breiteste Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen des Werkzeuggebrauchs von Tieren, die uns seit der frühen Rezeption der Thematik begegnete. Wie genau denn nun Affen, Vögel, aber auch Insekten, Fische oder Weichtiere „hämmern, bohren und streichen“, legt uns Peter-René Becker systematisch und in grossem Bogen aus. Die Nachweise und Einschätzungen dazu, was das über ihre Kognition, Lern- und Kulturfähigkeit verrät, fügt er dem in kritischer Prüfung stets gleich an.
Wie aus dem obigen schon herausleuchten sollte, ist „kritisch“ hier das Zauberwort. In bester wissenschaftlicher Manier macht uns der Autor stets auch auf mögliche Fehldeutungen der Beobachtung und auf alternative Erklärungsansätze aufmerksam. Das unterstützt nicht in jedem einzelnen Fall den leichten Lesefluss, doch insgesamt fügt sich das Sachbuch doch zu einer eingängigen und unentwegt packenden Lektüre. Es wird uns, ganz persönlich, zukünftig in doppelter Weise dienen. Einerseits als ergiebige Quelle an Beispielen und Belegen des Werkzeuggebrauchs in der Tierwelt, und andererseits als Memorandum, bezüglich der Bewertung neuer Erkenntnisse dazu ein angemessenes Augenmass zu halten. Wie sich zeigt, nimmt diese reflektierte Betrachtung den vorgestellten Verhaltensweisen nichts von ihrer Bedeutung und Faszination.
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