Autor | Marc Graf / Christine Sonvilla |
Verlag | Knesebeck |
Umfang | 159 Seiten |
ISBN | 978-3-95728-369-6 |
Preis | Fr. 50.80 (UVP) |
Wer in Mitteleuropa von Wildnis spricht, beschwört damit üblicherweise Bilder weit entfernter Landschaften vor das innere Auge: Von Alaska, dem australischen Outback oder afrikanischen Savannen. Vor der Haustür wird „Wildnis“ hier selten verortet, und das ja auch mit Grund. Tatsächlich sind Landstriche mit wild aufschiessender oder gar „vom Menschen unberührter“ Natur im Herzen Europas rar gesät. Doch drehen wir nur etwas an den Grössenverhältnissen, lassen sich doch noch so einige – jetzt kleinere – Oasen wilden Lebens finden. Mit ihrem prächtigen Bildband nehmen uns Christine Sonvilla und Marc Graf schon einmal dahin mit und diskutieren dabei gelehrig die Frage, wie wild Europa wieder werden kann und soll.
Die im Untertitel ihres Buches angesprochene Rückkehr der Beutegreifer Luchs, Wolf und Bär ist den beiden Biologinnen und Fotografinnen mehr Anlass als Endzweck ihrer Spurensuche. Neben ihrer Jagd nach spektakulären Aufnahmen der grossen Raubtiere, die gerade wieder in ihre angestammten Lebensräume heimfinden, stossen sie tief hinein ins Spannungsfeld zwischen Naturschutz und (Land)Wirtschaft, Zivilisation und Wildnis. In all den Wald-, Gebirgs- und Wasserschutzgebieten vom Schweizer Nationalpark bis zur Slowakei, von der Lausitz bis ins Tirol suchen sie den Kontakt mit den Verantwortlichen – Naturschützerinnen, Jägern, Ökologinnen, Zoologen, Fischern oder Förstern. Über diese Gespräche und die direkte Anschauung erhalten wir intimen, sachkundigen Einblick in die Konflikte, Debatten und Problemlagen, vor die eine Stärkung europäischer Wildnis uns stellt; und durchwegs über die Lösungsansätze und Erfolge, die eine solche ermöglichen.
Besonders herausstellen möchten wir dabei, wie leichtfüssig diese differenzierte Auseinandersetzung daherkommt. Christine Sonvilla gestaltet ihre Texte als atmosphärische Reportagen, die ihren Wissensgehalt harmonisch in launiges Empfinden und Erleben hüllen. Kaum je verrät sich die reflektierte Recherche, die hinter den prägnanten Aussagen steht. Die Gelegenheiten, da ihr das nicht völlig unparteiisch gerät und ihr begeistertes Engagement sich Bahn bricht, dürfen ob der Kraft und Nuanciertheit ihrer Argumente gern so stehen bleiben.
So viel Freude wir daran jetzt auch schon haben, sollten wir wohl nicht vergessen, der vorrangigen Intention des Buches die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. In seinem Schwerpunkt bleibt es ein Bildband – und ein ganz fantastischer solcher. Da mögen die vielen aussagekräftigen Fotografien noch so passgenau die übermittelten Informationen ergänzen und erläutern, nie verlieren sie darüber an urwüchsiger Wucht und Schönheit. Geradezu baff stehen wir vor den verschiedentlich eingestreuten Aufnahmen aus Fotofallen, die nicht nur als Tierporträts, sondern ebenso als imposante Naturfotografien gefallen. Die grossflächigen, stimmungsvollen Panoramen öffnen den Blick dann endgültig für den Wert und Gewinn, den der Erhalt und die Erweiterung europäischer Wildnis für uns alle bereithalten.
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