Autor | Nunu Kaller |
Verlag | Kremayr & Scheriau |
Umfang | 238 Seiten |
ISBN | 978-3-218-01222-5 |
Preis | Fr. 31.90 (UVP) |
Erst einmal, lang ist’s her und seither Standard, rollte eine Welle über die Welt hinweg, die den Konsum zum Massstab des Lebens- und Gesellschaftsglücks umdeutete. Kaufen, kaufen, kaufen war nun kein eitles Protzen mehr, sondern Schlüssel zur volkswirtschaftlichen Gesundheit und – die Werbung bewies es – zur Selbstverwirklichung. Ein Stück hernach fuhr die zweite Welle ein: Nicht mehr nur konsumieren sollte man nun, sondern gut konsumieren; umweltbewusst, fair, verantwortungsvoll... Übermässiges Mitleid mit jenen, die sich davon gelegentlich überfordert fühlen, ist nun aber nicht nötig. Wir alle sind es. Den berechtigten Gründen dafür, und wie sich ein „guter Konsum“ vielleicht doch in Stand setzen liesse, geht Nunu Kaller in ihrem bestrickenden Buch auf den Grund.
Dass sie das mit dem Journalismus, dem Schreiben und der Pressearbeit „relativ gut kann“, wie sie auf ihrer Webseite verlauten lässt: Das können wir Nunu Kaller gleich mal bestätigen. Dass sie zudem Ahnung hat, wovon sie schreibt, dazu dürften die Jahre als KonsumentInnensprecherin bei Greenpeace Österreich genauso beigetragen haben wie ihr Wille zu gründlicher Recherche und Selbstreflexion. Der letzteren gibt sie sich vom Start ihres Buches weg hin, während sie uns kurzweilig vorführt, wie wir (und eben speziell auch sie) von unserem Hirn, unserem Umfeld und den Wirtschaftskräften zum Konsum verführt, vom Konsum belohnt und im Konsum verhaftet bleiben. Man kann nicht nicht konsumieren, kommt sie zu ihrem ersten Schluss – und das keineswegs nur betreffs der lebensnotwendigen Gebrauchsgüter.
Wie daraus nun dennoch ein nachhaltiges Kaufgebaren zu basteln, möglicherweise gar eine andere, umwelt- und menschenschonende Konsumwirtschaft zu entwickeln sei, arbeitet sie im Folgenden kritisch und scharfsinnig auf. Sie deckt uns da – immer im systemischen Zusammenhang – die Fallen und Methoden des Greenwashing auf, erkundet, was FOMO und Hauls mit uns machen, spürt den sozialen und ökologischen Kosten der Globalisierung nach und hinterfragt auch so viele der Ansprüche und Praktiken des „guten“ Konsums; mit Augenmerk auf uns Kunden genauso wie auf Produzenten und Händlern. Insbesondere auch den erstarkten Online-Handel im Blick, zimmert sie daraus ein zwar anspruchsvolles, aber eben auch belastbares Set an Anstössen und Visionen des nachhaltigen Konsumierens im individuellen, gesellschaftlichen und weltwirtschaftlichen Kontext.
Wir fanden nun in Nunu Kallers Denkschrift zwar keine bislang unerhörten Einsichten, auch keine revolutionären Eingebungen zu neuen Lösungsansätzen. Die herkömmlichen, gesicherten Einsichten und Eingebungen fanden wir bislang aber auch noch nie so eingängig, so sympathisch und energetisierend erzählt. Offenherzig plaudernd führt sie uns durch komplexe Zusammenhänge, ohne für einen Moment die emotionale Tuchfühlung mit ihrer Leserschaft zu verlieren.... Doch vor allem verleiht sie darin einer umfassenden Bandbreite von Gedanken Stimme, die wir für ganz essentiell, zugleich noch allzu leise widerhallend halten. Der offensichtlichste, wenn auch vielleicht nötigste ist der, von der verantwortungsvollen Konsumentin - also uns selbst - nicht sofort und ständig eine (sowieso unmögliche) Perfektion einzufordern. Die Feststellung, wie sich die Konsumwirtschaft aktiv müht, alle Verantwortlichkeit auf den Geldbeutel und das Gewissen der Konsumentinnen abzuschieben, ist ein folgenschwerer weiterer. Und dass Nachhaltigkeit eben nicht nur kleinteilig über die Einkaufstasche, sondern noch zweckführender mit siedlungsplanerischen, arbeits- und produktionstechnischen oder auch psychohygienischen Mitteln befestigt werden muss: Das ist dann wohl der bedeutungsvollste. Schliessen wir Nunu Kallers Buch, haben wir all diese Erkenntnisse zur aktuellen Konsumwirtschaft intuitiv absorbiert, die Argumente sortiert, die eigene Einflusssphäre abgesteckt und mächtigen Mut gefasst, sie auch zu erkunden.
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