Autor | Lothar Frenz |
Verlag | Rowohlt Berlin |
Umfang | 445 Seiten |
ISBN | 978-3-7371-0054-0 |
Preis | Fr. 34.80 (UVP) |
Vom erzählenden Zoologen Lothar Frenz sind wir ja schon einiges gewohnt. Spannende Lektüre nämlich: Abenteuerliche Schilderungen seiner Feldforschung, kenntnisreiche Erläuterungen zu Tieren aus intimer Perspektive, kluge Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen des Naturschutzes… All das leichtverständlich zusammengefügt und gewürzt mit seinem milden Humor™. Da fragt es sich natürlich: Wird ihm das erneut gelingen? Wird er seinem verwöhnten Publikum nicht nur ein Mehr des geschätzten, sondern gar Neues darbieten können…?
Spoiler. Ja. Gleich zu Beginn stellt sich der gewiefte Autor einer ambitionierten Aufgabe. Da bemüht er sich, uns einen gefürchteten Parasiten wo schon nicht sympathisch, so doch faszinierend zu machen: Den Guineawurm, Auslöser der Dracontiasis, einer brutal schmerzhaften, „feurigen“ Erkrankung. Inwieweit Lothar Frenz das auch schafft, darf vorerst dahingestellt bleiben. Erst mal steht es da nur als Anstoss zu Überlegungen dazu, wie wir den Schutzwert von Tieren gern danach beurteilen, wie sympathisch sie uns sind. In diesem Spannungsfeld bewegt er sich dann weiter, während er uns auf durch mannigfaltige Artenschutzprojekte rund um den Globus führt. In bewegten Erlebnisberichten geleitet er uns differenziert in die Problemstellungen des Tier- und Habitatsschutzes in Yellowstone, Neuseeland, Amazonien, in der Mongolei oder um Tschernobyl hinein. Wir begegnen dabei, neben vielen neuen Bekanntschaften, auch allerlei Protagonisten seiner früheren Bücher – der Wandertaube etwa, den Nashörnern, den Kalifornischen Kondoren. Eine besondere Freude war uns persönlich dann das Wiedersehen mit Thierry Aebischer, mit dem Lothar Frenz weitläufig durch das von ihm gegründete, zentralafrikanische Chinko Wildlife Refuge streift und mit dem wir damals, kurz nach dessen Gründung, ein lehrreiches Interview führten…
Dennoch. Nach ungefähr einem Drittel des Buches notierten wir uns „Lonesome George 2.0?“ auf ein Zettelchen, uns fragend, ob wir es hier einzig mit einer Aktualisierung seines fulminanten Vorgängers zu tun hätten. Doch da legt sich Lothar Frenz auch schon in die Kurve und startet die Diskussion, zu der er bislang die Fundamente legte. Um höchst relevante, höchst kontroverse Entscheidungen und Zielbestimmungen geht es da, denen insbesondere auch wir Natur- und Tierschützer gern entfliehen würden – denen wir aber angesichts des fortschreitenden Artensterbens nicht entkommen werden. Wie entscheiden wir, welche Spezies wir retten sollen? Inwieweit wollen wir – etwa anlässlich des Klimawandels – Leben gar selbst gestalten? Die verschiedenen Argumente und möglichen Antworten illustriert er uns an aufschlussreichen Beispielen aus den Erfahrungen der Artenschützer und Forscher selbst. Und hier tauchen dann auch die ungeliebten Parasiten wieder auf: Zur provokanten Anschauung, wie unerlässlich ein umfassendes Verständnis der ökologischen Zusammenhänge bei der Entscheidungsfindung sein wird, und wie gut wir daran tun, da unsentimental ranzugehen. Eine letzte wohlbedachte Spitze setzt er schliesslich, als er uns anlässlich der Konstruktion eines neuen Selbstbildes der Menschheit den Homo Parasiticus vorschlägt: Einen „guten“ Parasiten, der seinen Wirt nicht schädigt. Gewieft, Herr Frenz!
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