Autor | Ian Goldin / Robert Muggah |
Verlag | DuMont |
Umfang | 511 Seiten |
ISBN | 978-3-8321-9999-9 |
Preis | Fr. 65.30 (UVP) |
Die beiden renommierten Forscher Ian Goldin und Robert Muggah haben sich viel vorgenommen mit ihrem Plan, uns mit ihrem „Atlas der Zukunft“ die Kenntnisse an die Hand zu geben, in einer Ära zunehmender globaler Komplexität und Vernetzung den Überblick zu behalten. Dafür, dass ihnen das doch redlich gelingt, konnten sie auf die eigene, jahrzehntelange Forschung und Erfahrung (Ian Goldin als Professor für Globalisierung und Entwicklung, Robert Muggah als Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte) ebenso zurückgreifen wie auf ihren offenkundigen Willen zu substanzieller Recherche. Das entstandene Werk überzeugt nicht nur in seiner Analyse belangreicher Trends und Entwicklungen, sondern auch in seiner unvermutet aktuellen Bestandsaufnahme des globalen Status Quo, schon unter Einbezug der gegenwärtigen Pandemie.
Den versprochenen Überblick verschaffen uns die Autoren mittels eingängiger, nie überfrachteter Diagramme und aussagekräftiger Satelliten- und Luftbilder, vor allem aber mit den hundert klug gestalteten Welt- und Detailkarten. Diese fokussieren jeweils auf einen einzelnen, ausgewählten Sachverhalt und bedürfen dadurch keiner elaborierten Entschlüsselungsarbeit. Gleichwohl – oder gerade deswegen – halten sie immer wieder überraschende Einsichten bereit: Dazu etwa, wie sich die Flüchtlingsströme keineswegs vorrangig in unsere westlichen Wohlfahrtsstaaten ergiessen, allem diesbezüglichen Gemunkel zum Trotz. Oder dann auch wieder mit einem handlichen Einblick, wo die erneuerbaren Wind- und Solarenergien im letzten Jahrzehnt am deutlichsten zulegten… Das Karten- und Bildwerk setzt dieserart akzentuierte Ankerpunkte für die Erforschung unserer globalisierten Welt in den breit angelegten Textbeiträgen. Die unausweichlich immense Themenfülle destillieren die Autoren unter dreizehn Stichworten, anhand derer sie – von Geopolitik oder Klima über Urbanisierung bis zu Technologie, Ernährung oder Kultur – alle wesentlichen wirtschaftlichen, politischen, ökologischen und sozialen Einflusssphären differenziert durchleuchten, auf die vorherrschenden Entwicklungen abklappern und zueinander in Bezug setzen.
Dies alles in nur knapp fünfhundert Seiten zu leisten, verlangt naturgemäss nach Verdichtung. Robert Muggah und Ian Goldin schaffen es – hat man sich in den forschen Rhythmus ihrer Faktenvermittlung erst mal eingelesen –, das gleichwohl flüssig und bündig zu gestalten. Anlass zur Kritik kann allenfalls geben, dass sich die Autoren mit konkreten Ideen zur Zukunftsgestaltung weithin zurückhalten. Da raten sie dann beispielsweise die Abkehr vom Dogma der Wachstumswirtschaft oder von der Kurzsicht demokratischer Politik nachdrücklich an, geben aber wenig fassliche Inspiration, wie das zu gestalten wäre. Das kann schon mal unbefriedigend wirken, ist aber insgesamt im selben Licht zu betrachten, wie sie sich auch zu keinen wohlfeilen Prophetien hinreissen lassen: Ihr Atlas gibt Hand nicht dazu, die „Zukunft zu schauen“, sondern sich den Weg in eine bessere, lebenswerte solche durch die disruptiven Kräfte hindurch zu bahnen. Angesichts der Verunsicherungen ob der globalen Komplexitäten, wie sie sich in allerlei Verschwörungsmythen und apokalyptischen Ängsten gerade überall Bahn brechen, wird ihre Ausforschung, Kennzeichnung und Veranschaulichung dieser Kräfte nur umso wertvoller.
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