Autor | Caspar Dohmen |
Verlag | Klaus Wagenbach |
Umfang | 171 Seiten |
ISBN | 978-3-8031-3706-7 |
Preis | Fr. 26.10 (UVP) |
Wir Menschen gestalten Lieferketten, seit wir damals begannen, die Herstellung von Gebrauchsgütern oder auch die Bewerkstelligung aufwändigerer Unternehmungen in einzelne Arbeitsschritte zu unterteilen. Die längste Zeit waren diese Ketten kurz und überschaubar. Mit immer ausgreifenderem Handel und differenzierterer Technik wurden sie indessen länger und verästelten sich zusehends, bis sie heute, in unserer globalisierten Welt, in allzu vielen Fällen kaum noch zu durchdringen sind. Sie haben, so scheint es, ihre ganz eigenständige, unwiderstehliche Geltung und Dynamik gewonnen. Und so schwänzeln heute unzählige Lieferketten rund um den Erdball: Immer dahin, wo die Arbeitskräfte billig, die Regulierungen dürftig und die Machtverhältnisse möglichst ungleich sind – ganz ungeachtet der gesellschaftlichen und ökologischen Schäden, die sie dabei hinterlassen. Dass sie dennoch noch immer unserer aktiven Gestaltung unterliegen, dass ihre Verheerungen gemildert und ihre Gesetzmässigkeiten zur Nachhaltigkeit erzogen werden können; das beglaubigt uns Caspar Dohmen in seinem neuen Buch.
Seine Fertigkeit, die komplexen Dynamiken und vielfach verschlungenen Wege unserer globalisierten Wirtschaft in einen nachvollziehbaren Erzählstrang zu verweben, hat uns der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen ja schon einmal bewiesen. Er bedarf dazu keiner unstatthaften Simplifizierungen und neigt auch zu keinen ideologischen Kurzschlüssen, während er uns die aktuellen Entwicklungen vor ihrem historischen Hintergrund vergegenwärtigt, ihre Triebkräfte und dahinterstehenden Machtinteressen detailliert auseinandersetzt und die resultierenden Schadwirkungen vielschichtig herausarbeitet. So nüchtern er diese systemischen Analysen anlegt, versteht er es doch, ihnen auch die menschliche Dimension zu erhalten. Aus seiner jahrelangen journalistischen Beschäftigung mit der Thematik – speziell den Produktionsketten des Textil- und des Kakaogeschäfts – verschafft er uns intimen Einblick in Fabrikhallen, Vertragsverhandlungen und politische Hinterzimmer genauso wie in die bestürzenden Schicksale und Existenzkämpfe der Näherinnen, Kakaobauern oder Aktivistinnen am entfernten, anderen Ende der Weltreise unserer Konsumprodukte.
Mit dieser sensiblen und kundigen Aufklärungsarbeit ist es Caspar Dohmen indessen erst zur Hälfte getan. Sein vorrangiges Anliegen ist es, daraus Ansätze zu destillieren, an diesem Wirtschaftsgebaren etwas zweckvoll zu ändern. Durchwegs zeigt er auf, weshalb da auf einen freiwilligen Wandel von Seiten der ökonomischen Akteure nicht zu setzen ist – so gerne, vehement und oftmals gutwillig sie diesen auch beschwören. Auch den NGOs oder der Fair-Trade-Bewegung spricht er diesbezüglich nur eingeschränkte – wiewohl belangreiche – Veränderungsmacht zu. Stattdessen führt er uns vor, wie hier die politische Gesetzgebung Mal um Mal davor zurückzuckte, ihre regulierenden Kräfte auszuspielen. Welche Mittel ihr dafür, national wie international, zur Verfügung stünden, woran es den bisherigen Ansätzen und Vorstössen mangelt und was dadurch für die Zukunft unserer globalen Schicksalsgemeinschaft zu gewinnen wäre, arbeitet er im Abschluss reflektiert heraus. Dass es dafür nicht nur höchst an der Zeit, sondern dass die Zeit dafür auch tatsächlich gekommen sein dürfte, setzt er als optimistische Ahnung an den Schluss seines Buches - noch etwas verstärkten zivilgesellschaftlichen Druck vorausgesetzt. Auf nur knapp über 150 Seiten hat er uns bis dahin die Kenntnisse, die Argumente und die Orientierung an die Hand gegeben, wohin dieser Druck sinnvoll zu zielen wäre.
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