Buch «Der Mensch und das Biest»

Buch «Der Mensch und das Biest»

Eine Geschichte von Herrschaft und Unterdrückung

Trotzdem sie uns unentbehrlich durch unsere ganze menschliche Geschichte begleiteten, finden sich die Tiere in den historischen Wissenschaften nur beiläufig gewürdigt. Das ändert nun Richard Girling; nicht ohne es zu einem überzeugenden Plädoyer zu einem anderen Umgang mit ihnen erblühen zu lassen.

 Autor Richard Girling
 Verlag Rowohlt Berlin
 Umfang 509 Seiten
 ISBN 978-3-7371-0102-8
 Preis Fr. 37.70 (UVP)

 

In einem beispiellosen Parforce-Ritt führt uns Richard Girling durch die Historie der Beziehung von Mensch und Tier. Von den ersten Kulturäusserungen bis zur gegenwärtigen Pandemie malt er ein weitläufiges Panorama der Widersprüchlichkeiten, in die uns der diesbezügliche Widerstreit unserer Empathie kontra Eitelkeit beständig führte, und beweist dabei handfeste literarische Qualitäten. Stets erzählt er aus der gerade beleuchteten Zeit heraus, aus den gerade geläufigen Gewissheiten um das Wesen von Tier und Mensch im alten Ägypten oder an der viktorianischen Akademie, und zeigt dabei auf, wie sich diese Gewissheiten nie als festgefügter Block präsentierten, sondern durchwegs als ein Gewimmel paradoxer Voreingenommenheiten. Der leise Spott, der dabei seinen Tonfall unterwandert, vermag fein zu unterhalten, gerät ihm aber nie zum Hohn auf die "dummen Altvorderen": Neben alle Anekdoten, die unserem heutigen Verständnis bizarr erscheinen mögen, stellt der namhafte Umweltjournalist Fragestellungen, die die Beziehung von menschlichem und nichtmenschlichem Tier bis heute prägen. Das Amüsement, das wir da durchaus empfinden dürfen, fällt stets stimulierend auf uns selbst zurück.

Man kann an den ersten Kapiteln der Girling’schen Geschichtsschreibung gewiss bemängeln, dass sie sich des aktuellen Forschungsstands nicht durchwegs bewusst sind und sich auch überwiegend eurozentrisch gebärden. Betreffs des ersten Kritikpunkts werden sich Historikerinnen gelegentlich wohl die Zehennägel kräuseln – etwa wenn er trotz längst etablierter, berichtigender Forschung noch erstrangig „Inquisitoren“ die Hexen verfolgen lässt. Doch solche Nebenschauplätze behelligen nicht seinen Hauptgegenstand: Argument und Anklage der philosophisch zweifelhaften, ethisch vorurteilsgeprägten Ausbeutung des wilden und domestizierten Tiers bleiben selbstsicher stehen. Der Eurozentrismus derweil – ohnehin entschuldbar angesichts des europäischen Zielpublikums – verliert sich, während wir näher zur Gegenwart rücken. Mit dem Erreichen der Aufklärung werden die aufgeworfenen Problemstellungen auch zusehends aufklärerisch verhandelt, bis wir uns abschliessend einem engagierten, aber um nichts weniger reflektierten Plädoyer für einen entschlossenen Tier- und Artenschutz gegenübersehen.

Schon so oft, während wir Literatur zu den mannigfaltigen Belangen des Tierwohls und der Tierrechte sichteten, haben wir uns dieses Buch herbeigewünscht. Eines, das all die mannigfaltigen Ideen, Probleme und Anliegen der Tierethik eingängig vorstellt und sie auch gleich in historisch-kulturellen Kontext setzt. Das sich dabei der Positionen der Philosophie, Religionen und Wissenschaften gleichermassen annimmt. Und das dann über den notwendigen Differenzierungen nicht ins Ungefähre oder Labyrinthische abrutscht, sondern gültige Argumente sammelt und zugänglich macht. Da kann man sich zwar angesichts des erzählerischen Furors, mit dem der Autor in die Denke vergangener Zeitalter eintaucht, bezüglich der Einordnung des Ganzen auch mal alleingelassen fühlen. Doch das ist man dann nicht lange, und letztlich ist es konsequent: Es geht Richard Girling mit seinem Buch ja nicht nur um die Einführung in die informierte Debatte und den Vortrag eigener Standpunkte, sondern noch weiter um den Anstoss, sich dabei eigener Widersprüche und Befangenheiten bewusst zu werden. Dies nicht anklagend, stattdessen lieber ermunternd und fulminant spannend zu gestalten, gelingt ihm wie keinem, dem wir bislang begegneten.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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