Buch «Bauer und Bobo»

Buch «Bauer und Bobo»

Wie aus Wut Freundschaft wurde

Der Städter Florian Klenk und der Bergbauer Christian Bachler haben einander zugehört. Die daraus entsprungene Reportage zu Landleben, Fleischindustrie und Agrarwirtschaft stellt eindrucksvoll heraus, was durch die Versöhnung der Lebenswelten zu gewinnen wäre.

 Autor Florian Klenk
 Verlag Paul Zsolnay
 Umfang 155 Seiten
 ISBN 978-3-552-07259-6
 Preis Fr. 29.-- (UVP)

 

In eine Zeit, in der die Gräben zwischen Land und Stadt sich wieder mal verbreitern und gewisse Kräfte sich anschicken, sie noch künstlich zu vertiefen, tritt hier das geeignete Buch, dem entgegen zu wirken. Dessen Vorgeschichte, kurz erzählt: Auf einer Alp im Tirol wird eine wandernde Touristin von einer Kuh zu Tode getrampelt. Die Gerichtsbarkeit spricht die Verantwortung dafür dem Bauern zu, und die Bauernschaft samt ihrer politischen Parteigänger ist empört. Von nicht weniger als dem Niedergang der Alm- und Weidewirtschaft ist die Rede. Der Wiener Bobo (bourgeoise Bohemian) und „Falter“-Journalist Florian Klenk verteidigt öffentlich das Urteil, gleich darauf wird er von einem medienaffinen Bergbauern, Christian Bachler, auf dessen YouTube-Kanal in einer Wutrede beschimpft. Alles wie gehabt…

Doch Florian Klenk fühlt sich herausgefordert. Die Mutmassung des „Wutbauern“, er habe ja noch nie Existenzangst verspürt, erwischt ihn kalt. Er tritt also kurzerhand auf dessen ironisches Angebot ein, doch mal auf seinem Hof in Praktikum zu gehen. In seinem Buch erzählt er uns von dieser Begegnung. An deren Ende stehen eine neue Freundschaft und ein Crowdfunding-Projekt mit dem Erfolg, Christian Bachler von seiner würgenden Schuldenlast zu befreien. Florian Klenk verzichtet in seiner Berichterstattung auf die journalistische Deutungshoheit und spürt den Argumenten der Gegenseite empathisch nach. Dabei kommt nicht nur Christian Bachler ausgiebig zu Wort: Da dieser als innovativer, an Nachhaltigkeit orientierter Tierhalter selbst dem verstocktesten Städter kein Feindbild liefert, an dem sich zielführend reiben liesse, besucht Florian Klenk einen Schweinezüchter, aus dessen Tierfabrik gerade ein Enthüllungsvideo geleakt wurde. Er lässt sich von einer Veterinärmedizinerin und Tierschützerin zur Geschichte und aktuellen Situation des „ökonomischen Konzepts Landwirtschaft“ informieren, dem so viele Höfe zum Opfer fallen. Und er interviewt ausführlich seinen Vater, um aus dessen Kindheitserinnerungen ein vollständigeres Bild jenes guten alten Landlebens zu gewinnen, das von allen Seiten – wie abweichend auch immer – beschworen wird.

Im Ergebnis steht eine Reportage, die sich weit über die Schilderung einer anrührenden Geschichte erhebt – auch wenn sie uns durchaus emotional anzufassen versteht. Das dann aber vornehmlich da, wo es um die angesprochene Existenzangst geht; um die Depression und Verzweiflung, die dem System der Profitoptimierung unserer Lebensgrundlagen epidemieartig folgt. Wie sich dieses System im Grossen, vor allem aber auch im Kleinen äussert, führt das Buch uns eindrücklich vor und entwickelt sich dabei zu einem kraftvollen Appell, uns unsere Nahrung mehr wert sein zu lassen. Dabei birgt es viel Hoffnung. Die Differenzen zwischen Bobo und Bauer, Tierschützerin und Schweinezüchterin erweisen sich als längst nicht so unüberbrückbar, wie die Empörungskultur sie uns vorgaukeln… Christian Bachler und Florian Klenk haben einander, über alle Voreingenommenheiten und Anschuldigungen hinweg, mal etwas aufmerksamer zugehört. Das Buch gibt uns nun bedeutsame Kunde davon, was dadurch für unsere Bemühung um eine nachhaltige Zukunft zu gewinnen wäre.

 

Rezension: Sacha Rufer


 

 

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