Autor | Nathaniel Rich |
Verlag | Rowohlt Berlin |
Umfang | 314 Seiten |
ISBN | 978-3-7371-0138-7 |
Preis | Fr. 34.80 (UVP) |
Nathaniel Rich hat sich in kürzester Zeit in die Riege der respektiertesten Umweltjournalisten eingeschrieben. In seinem internationalen Bestseller „Losing Earth“ zeichnete er vor drei Jahren akribisch und vielsagend nach, wie der Kampf gegen den Klimawandel erstmals in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts verloren ging. Für sein neues Buch erkundet er nun in tiefschürfenden und thematisch breit gefächerten Reportagen die vielen Orte und Umstände, an denen wir Menschen die uns umgebende Natur unwiderruflich verändern. Dafür geleitet er uns in eine Welt futuristischer Ideen und Technologien, wissenschaftlicher Schrecken und Wunder und ökologischer Hoffnungs- und Minenfelder: Unsere Gegenwart.
Seine Expedition in die zweite, menschlich geprägte Schöpfung beginnt er in ähnlicher Form, in der er sein letztes Werk beendete. In detaillierter Spurensuche folgt er Forscherinnen und Aktivisten in die Nachforschungen zu Naturschäden und Umweltskandalen: Zum rätselhaften Ursprung einer tödlichen Seestern-Epidemie oder ins politisch-wirtschaftliche Vertuschungsgeflecht einer chemischen Gewässerverschmutzung bzw. eines Methangas-Lecks. Während hier die moralischen Positionen noch vergleichsweise klar verteilt scheinen, wird es im zweiten Teil bereits vieldeutiger. Da wird etwa im Nachgang des Hurrikans Katrina ein „ökologisches Monster“ geschaffen – ein neues, ortsfremdes, aber um nichts weniger lebendiges Ökosystem – oder ein Koch experimentiert mit künstlichem Fleisch. Endgültig auf dem Grat ethischer Zweifelsfälle wandern wir dann im letzten Teil. Den längst aktuellen Fragen, inwieweit wir ausgestorbene Tiere wiederbeleben, uns mittels der Tricks einer unsterblichen Qualle vom Tod freikaufen oder uns an grünlich fluoreszierenden Kaninchen erfreuen sollten, nähert sich Nathaniel Rich in breiter, gleichermassen ökologischer, kultureller und wissenschaftlicher Reflektion.
Der Autor versucht sich bei alledem nirgends an Meinungsmache. Er führt uns nur vor, in welcher Welt wir bereits leben. Persönliche Urteile lassen sich allenfalls mal in einer Formulierung erahnen, in allem Übrigen spielt er uns die Argumente Für und Wider, die Debatten zu Gefahren und Chancen der neuen Technologien und Einflussnahmen aus den Stimmen der Beteiligten zu. Dass seine Anschauungsobjekte weit überwiegend amerikanische sind, tut ihrer Relevanz keinen Abbruch. Die sich daraus eröffnenden praktischen und ethischen Fragestellungen sind universelle, und so lassen sich etwa auch die Konflikte, die die mondäne Skidestination Aspen in ihrem Bemühen um Klimaschutz prägen, anstandslos in unsere Alpen übertragen. Dass uns bei der Lektüre dann verschiedentlich mal Ratlosigkeit überkommt, ist durchaus gewollt. Sie ist Zeichen dafür, dass uns Nathaniel Rich aus der Nostalgie einer „unberührten Natur“ erfolgreich in die Gegenwart geleitet hat – und fruchtbarer Anstoss dazu, sich mit dieser jetzt informiert und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen.
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