Autor | Jean-Marc Jancovici / Christophe Blain |
Verlag | Reprodukt |
Umfang | 192 Seiten |
ISBN | 978-3-95640-318-7 |
Preis | Fr. 56.60 (UVP) |
Das dritte Comic, das wir hier dieses Jahr besprechen wollen, ist wieder ein Sachcomic. Eines in klassischer Aufmachung: Es setzt also weniger auf die erzählte Geschichte als auf das veranschaulichende und instruktive Zusammenspiel von Bild und Wort. Die Geschichte ist dementsprechend rasch geschildert. Der Comiczeichner Christophe Blain setzt sich zusammen mit Jean-Marc Jancovici, dem renommierten französischen Experten für Energie- und Klimafragen, und lässt sich von ihm die komplexen Hintergründe unseres Energiehungers, seiner Auswirkungen auf die Öko- und Atmosphäre und die möglichen Auswege aus der Klimakrise auseinandersetzen. Dies dann aber in einer weiten Überschau, einer intuitiven Zugänglichkeit und einem fundierten Detailreichtum, wie es üblicherweise nur viel umfangreichere Texte leisten.
Derweil sich das Comic breit auf jene Eigenschaft beruft, die es im Namen trägt – also bevorzugt auch mal komisch und erheiternd zu sein –, sollte man sich doch mit etwas Beherztheit wappnen, bevor man sich hineinbegibt. Speziell im ersten Teil des Bandes zeigt sich Jean-Marc Jancovici gnadenlos, während er uns unsere zivilisatorische Verstrickung mit den fossilen Energieträgern vor ihrem historischen Hintergrund und ihrer globalen Vernetzung vorführt. Da kann einem schon mal der Mut sinken, während er uns deren Bedeutung für unsere Wirtschaft, unsere sozialen Errungenschaften, unsere Agrarwirtschaft, Medizin und Alltagsgestaltung beweist. Das entspricht indessen ganz seinem Anliegen. Er will uns verdeutlichen, dass die Energiefrage eben keine ist, die wir nonchalant mal nebenbei erledigen, sondern eine systemische, unausweichliche, existentielle. Dieselben Adjektive lassen sich der Klimakrise vorausstellen, die er uns anschliessend genauso befreit von Verniedlichung und Phrasendrescherei auseinandersetzt.
Dass das alles nicht in kontraproduktiver Niedergeschlagenheit, sondern in kreativer Aufbruchslaune mündet, dafür ist Christophe Blain zuständig. Der hat seine zeichnerische Originalität und kecke Energie nahtlos aus seinen erzählerischen Werken in dieses neue Genre hinübergerettet. Er selbst tritt als Stichwortgeber und regsamer Fragesteller auf, seine lässigen Zeichnungen leisten sich unabhängig vom Gegenstand einen verspielten Humor. Für jeden komplexen Sachverhalt findet er ein intuitiv verständliches, doppelbödiges Bild: Mal wiederkehrend – wie jenes von der Iron Man-Rüstung, in der sich unsere umfassende Einbettung in unsere Technologie versinnbildlicht –, mal im beiläufigen Detail. Damit hält er uns auch in persönlicher Tuchfühlung mit sich selbst und seinem „Mentor“ – und solcherart kritikfähig, wenn Jean-Marc Jancovici in den „weichen“ Fragen der anzustrebenden gesellschaftlichen Massnahmen mehr Diskussionsbedarf offen lässt als in seiner Darlegung der harten energiewirtschaftlichen Fakten. Während wir – das angezielte Publikum von Adoleszenten und Erwachsenen – durchweg lernen, simplifizierende Heilsversprechen zu beargwöhnen, entlässt uns das Sachcomic schliesslich gleichwohl mit einem bunten Strauss von Lösungsanstössen auf persönlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene, die auch über Detaildebatten hinaus wirksam bleiben. So verbindet es solide sachliche Substanz mit rebellischem Witz und einer grossen Inspirationskraft dahingehend, zur Bekämpfung der globalen Erwärmung unser individuelles Scherflein beizutragen.
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