Autor | Heiko von Tschischwitz |
Verlag | List Verlag (Ullstein) |
Umfang | 472 Seiten |
ISBN | 978-3-471-36053-8 |
Preis | Fr. 19.50 (UVP) |
Bei der Besprechung von Thrillern sind Spoiler zu vermeiden. Das ist uns in diesem Fall nicht nur ein formelles, sondern ein unerlässliches Anliegen – auch wenn es bedeutet, dass wir uns in der Auseinandersetzung mit seiner provokativen Botschaft zurückhalten müssen. Spannungselemente und Diskussionsgehalt des Romans von Heiko von Tschischwitz stehen (zusammen mit der nicht unwesentlichen Informationsfülle) in einem delikaten Verhältnis, das uns über die Dauer seiner 450 Seiten stets in nutzbringender innerer Debatte hält. Da ist schon der Weg ein ausserordentlich lohnendes Ziel, der nicht vorschnell abgekürzt werden soll.
Der Unternehmer Heiko von Tschischwitz gründete vor einem Vierteljahrhundert den ersten Ökostromanbieter Deutschlands. In seiner fesselnden Erzählung verwebt er persönliche Einsichten und breit recherchierte Kenntnisse zum Klimaschutz mit einer Grundsatzfrage: Sind Demokratien – mit ihren Werten individueller und ökonomischer Freiheit – überhaupt in der Lage, der Klimakrise wirksam zu begegnen? Oder anders: Welche Kollateralschäden – etwa an Menschenrechten oder wirtschaftlicher Prosperität – sind wir für eine zukunftsfähige Entwicklung bereit hinzunehmen? Um uns ob des Gewichts solcher Fragen nicht sogleich den Atem zu rauben, hängt er sie in den Bezugsrahmen nachvollziehbarer Schicksale und Beziehungen. Jene der Nachhaltigkeits-Investment-Brokerin Shannon mit der radikalen, jungen Klimaschutzaktivistin Tessa, zuvorderst, aber auch jenen eines umtriebigen chinesischen Umweltministers, eines künftigen amerikanischen Präsidenten oder eines grünen deutschen Kanzlers. Sie alle handeln und streiten, planen und intrigieren unter dem Damoklesschwert der erwarteten Ergebnisse der Klimamodellierung eines Quantencomputers – der präzisesten Analyse und Prognose, die jemals möglich war. An dieser werden sich ihre Strategien, Ideale und Motive schliesslich messen. Den „Wettlauf gegen die Zeit“, den er so ganz genretypisch startet, inszeniert er gleichwohl ohne genretypische Hektik.
Schon diese Einführung in Plot und Personal des Romans darf uns als Anhaltspunkt dienen, dass Heiko von Tschischwitz in der Konstruktion seines Spannungsbogens nicht vordringlich auf Action setzt. Überhaupt lässt er die abgenutzten Werkzeuge aus der Trickkiste des Thrillerautors weitgehend unangetastet. Mit effekthascherischen Wendungen hält er sich ebenso zurück wie mit theatralischen Verwicklungen: Stattdessen setzt er auf lebendige Charakterzeichnung und hält den unwiderstehlichen Zug seiner Erzählung fast ausschliesslich mittels kraftvoller Dialoge in Fahrt. Damit beweist er – als Erstlingsautor – erst mal Mut, im Ergebnis dann aber auch beneidenswertes Können. Dass er den Stereotypen in seiner Figurenzeichnung dennoch nicht ganz entkommt, kann man ihm vorwerfen. Doch da seine Figuren auch als Personifikationen verbreiteter Lösungsansätze zur Bekämpfung des Klimawandels dienen, wäre das wohl kaum zu vermeiden. So jedenfalls gelingt ihm eindrücklich, was er mit seinem Roman bezweckt: Uns bestrickend zu unterhalten als erstes; uns dabei konstruktiv zur Auseinandersetzung mit den brisanteren ideologischen und pragmatischen Herausforderungen des Klimaschutzes anzustossen um nichts weniger.
Kommentare (0) anzeigenausblenden