Autor | Thomas Halliday |
Verlag | Hanser |
Umfang | 460 Seiten |
ISBN | 978-3-446-27268-2 |
Preis | Fr. 37.90 (UVP) |
Man möge sich seinem Buch nähern „wie dem Reisebericht eines Naturforschers“, empfiehlt uns der junge britische Paläontologe Thomas Halliday. Das fällt leicht. Er tut alles dafür, uns die fremden Panoramen vergangener Erdzeitalter plastisch vor Augen zu führen, die darin herumwuselnden, längst ausgestorbenen Tiere in Bewegung zu setzen und die verschwundenen Pflanzen aus den Fossilfunden neu spriessen zu lassen. So sehr sie vor Informationen und leichtverständlichem Fachwissen strotzen, ermöglichen uns seine Beschreibungen doch eindrucksvoll die intime, sensorische Tuchfühlung mit dem Wachsen und Werden, Leben und Sterben paläolithischer Ökosysteme und Kreaturen. Mit einer Ausnahme, zwischendurch: Wenn der Stolz auf die Erkenntnisse und ausgefuchsten Methoden seiner Wissenschaft aufblitzt und er uns aus der Beschreibung des Lebendigen zur Erörterung des Fossilierten hinüber führt, fallen wir kurz aus der Zeitmaschine. Wäre sein Buch ein Film, gelänge uns dieser Perspektivwechsel wohl intuitiver, dachten wir bei uns: Und riefen uns sogleich zur Ordnung, dass das nun doch Kritik auf albern hohem Niveau sei…
Dass uns der Gedanke an einen Film überhaupt kam, spricht überdeutlich von den Qualitäten seines Buches. Thomas Halliday hat ein Händchen dafür, dynamische, greifbare Bilder zu erwecken. Es geht ihm aber, selbstverständlich, um mehr als nur darum, uns in fantastische, entschwundene Zeitalter zu versetzen. Er macht uns Evolution greifbar, packt uns ihre unüberschaubaren Zeitstränge so handlich zusammen, dass sie in unsere Hirnschale passen, und versöhnt uns mit der Tatsache, dass sich auch das unerschöpfliche Wunder des Lebens an profanen Belangen der Chemie, der Energierechnung und der Physik emporrankt. Ja, es gelingt ihm sogar, uns die profanen Belange der Chemie, der Energierechnung und der Physik geziemend lebendig zu machen. Während er uns die Geheimnisse der Glasschwämme, der befremdlichen Hallucigenia oder der zwei Meter hohen Pinguine offenlegt, beschwört er das Verständnis der Natur als einem diffizilen Ungleichgewicht, das sich allein in der Veränderung und Vielgestalt potent erhält. Vergänglichkeit, so lernen wir von Thomas Halliday noch einmal mit neuer Unabdingbarkeit, ist das Rezept des Lebens.
Diese Botschaft könnte ihm nun mit Leichtigkeit fehlinterpretiert werden. Zahlreich sind ja die Stimmen, die uns den Klimawandel als ein zwangsläufiges, allzu natürliches Phänomen feilbieten wollen. Im Grundsatz widerspricht er dem auch nicht; es ist eine Frage der Zwischentöne. Die er dann aber zielgenau trifft. Derweil ihm die aktuellen Umschwünge vor seinem äonenumspannenden Horizont nur kurze Aufmerksamkeit wert sind, macht er doch unmissverständlich klar, wie Biodiversität, Klima und menschliches Wohlergehen zusammenhängen. Im Gegenzug verdeutlicht er, wie uns die Erforschung der evolutionären Vergangenheit dabei unterstützen kann, im evolutionären Reigen des Lebens auch zukünftig einen Platz zu finden. Noch mehr: Sein Buch macht uns Mut, diese Herausforderung anzunehmen – als einer weiteren, zu deren Bewältigung wir kraft unserer naturgegebenen Fertigkeiten eigentlich gut gerüstet wären.
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