Autor | Jan Haft |
Verlag | Penguin |
Umfang | 142 Seiten |
ISBN | 978-3-328-60273-6 |
Preis | Fr. 24.90 (UVP) |
Vor zwei Wochen hatten wir es hier in unseren Buchtipps zuletzt von der Wildnis, jetzt nähert sich ihr Jan Haft in seinem neuen Buch gleich noch einmal aus frischem und relevantem Blickwinkel. Als Biologe und vielfach ausgezeichneter Natur- und Tierfilmer ist er mit der wilden Natur innig vertraut. Gleichwohl (oder gerade deshalb) dürften seine Sichtweise der unberührten Landschaft und seine daraus folgenden Schlüsse zum Schutz unserer Biodiversität vielerseits überraschen – wo auch vielleicht nicht die Ökologinnen, so doch zumindest die Naturfreunde und vielen interessierten Laien, die er mit seinem lebendig und eingängig geschriebenen Buch anzielt.
Wald: Das dürfte es sein, was den meisten von uns vor dem inneren Auge steht, wenn wir an Wildnis denken. Auch unser Bild des früheren, ungezähmten Europas zeigt sich davon überwuchert. Nun wissen wir aus diesbezüglichen Untersuchungen jedoch schon ein Weilchen, dass der Wald – auch der „Urwald“ – längst nicht jene Artenvielfalt beherbergt, die unsere heimischen Gefilde als Erbschaft mit sich tragen: Jan Haft zeigt uns das in einer breiten Überschau einprägsam auf. Im Folgenden bringt er den Nachweis, dass die ursprüngliche europäische Landschaft weniger von Baumdickicht, sondern von einem vielgestaltigen Puzzle verschiedener, lichtdurchlässigerer Habitate geprägt war. Gestaltet wurde diese Weidelandschaft von den grossen Pflanzenfressern, von denen nach Ankunft des Menschen nur wenige überdauerten. Ihre Funktion für die Lebensräume wurde dann von Nutztieren, spezifisch den Rindern und Pferden, wenigstens teilweise übernommen, solange diese noch vergleichsweise frei in den Wiesen, Strauchlandschaften, Steppen, Wäldern und Mooren ihre Nahrung suchten. Erst unlängst, nachdem Stallhaltung und Mähwiesen das Bild zu prägen begannen, entfiel auch diese Unterstützung der Biodiversität zusehends.
So unternimmt es Jan Haft erst einmal, unsere Vorstellung von „Wildnis“ wirksam umzudeuten. Die „neue Wildnis“, die er ihr gegenüberstellt, ist indessen keine unattraktivere, nur eine unserer täglichen Betrachtung nähere. Doch damit ist es ihm keineswegs genug. Wenn eine intakte, artenreiche, klimafreundliche Wildnis also anders ausschaut: Welche anderen Wege könnten angemessen sein, sie zu erhalten und gar neu zu schaffen? Er bringt den Vorschlag ein, in Ermangelung urwüchsiger grosser Pflanzenfresser einfach unsere Nutztiere wieder weiter in die Landschaft zu entlassen, wobei er ihre jeweilige Eignung zur Pflege des Artenreichtums auch gleich kritisch hinterfragt und differenziert. Sein Entwurf einer vielgestaltigen, ungezähmten Weidelandschaft mit Bäumen, Gesträuch, Gewässern und Streuobst- und Magerwiesen wäre dann nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch interessant – und recht einfach zu haben. Mit dieser Einschätzung stützt er sich längst nicht nur auf eigene Eingebung, sondern holt die Erfahrung und das Fachwissen einer bunten Riege engagierter Biologinnen und Ökologen mit an Bord. Sein kleines, um nichts weniger gehaltvolles Buch verdient eine weite Beachtung – und der steht dank seiner klaren, energetisierenden und packenden Sprache auch nichts entgegen.
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