Autor | Susanne Wiborg |
Verlag | Antje Kunstmann |
Umfang | 360 Seiten |
ISBN | 978-3-95614-538-4 |
Preis | Fr. 36.30 (UVP) |
Diese Woche bewegen wir uns mit unserem Buchtipp wieder einmal an die Peripherie. Wenn Susanne Wiborg unsere europäischen, speziell die deutschen Landschaften im Spiegel der Literatur erkundet, trifft das zwar nicht punktgenau unsere Kernkompetenzen, unser erweitertes Interesse aber eben doch: Dass sie uns dabei ein ebenso gehaltvolles wie genussreiches Lebeerlebnis beschert, ergänzt das dann bestens. Eindrücklich führt sie uns vor, wie unser Blick auf die Landschaften diese stets prägen – und uns wieder zurück.
Ihren Streifzug durch acht kennzeichnende Landschaften unternimmt Susanne Wiborg an der Seite von grossen Namen (Goethe, Conan Doyle, Mann…) ebenso wie zahlreichen unbekannteren Lyrikern und Schriftstellern. Zu den allerorten angelegten literarischen Entdeckungen gesellt sich dabei die Chance, Gebirge, Kulturland, Moor oder Wald mit unverbrauchtem Auge und aus ungewohnter Perspektive immer wieder neu zu entdecken. Dabei kontrastiert die Journalistin und geschliffene Autorin das „grosse Bild“ durchwegs mit Einblicken ins kleinere, intimere. Sie berichtet von den entscheidenden historischen Entwicklungen (etwa in der Agrarwirtschaft oder im Tourismus) ebenso wie von den Leistungen des Regenwurms, malt ein sachverständiges Bild der Zusammensetzungen und Zusammenhänge der vielfältigen Lebensräume oder gibt uns, ganz nebenbei, eine frisch dahinfliessende Einführung in die Gewässerkunde. Dass sie dabei der Idealisierung der Natur, die sie andernorts beanstandet, in der Veranschaulichung „ihrer“ Landschaften auch mal frönt, richtet keinen Schaden an. Es trägt wesentlich dazu bei, dass die emotionale Aufladung der Natur, die sie uns in ihrer Bedeutung und Wirkung analysiert und auseinandersetzt, zielgerecht überspringt und direkt erfahrbar wird. Auch dass sie in ihrer Wertung gewisser naturschützerischer Entwicklungen – etwa betreffs des Wolfs – mit der unseren nicht zusammentrifft, gereicht uns nicht zum Vorwurf. Zur Debatte trägt sie dabei bedenkenswertes bei.
Doch das sind dann ohnehin bereits Details. Im grossen Bogen eröffnet uns Susanne Wiborg bedeutsame Horizonte dahingehend, wie Mensch und Landschaft zusammenpassen: Wie wir die Landschaft formten und sie uns, was wir an Hoffnungen und Ängsten da hineinlegen, wie sinnvoll die Grenzziehungen zwischen unberührter und geformter Natur überhaupt sind… Wo andere sich eine neu zu gewinnende “Beziehung zur Natur” vorderhand noch wünschen, schafft sie dafür ein emotional fassbares Fundament aus unserer deutschsprachigen Kulturgeschichte heraus. Der Griff zu ihrem stimmungsvollen Lesebuch ist deshalb auch längst nicht nur für Literaturbegeisterte ein sicherer. Von ihren Einsichten und Anstössen profitieren Naturschützerinnen und Umweltbewegte ganz genauso.
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