Autor | T. Coraghessan Boyle |
Verlag | Hanser |
Umfang | 396 Seiten |
ISBN | 978-3-466-27689-5 |
Preis | Fr. 40.60 (UVP) |
Prophetisch möchten wir den neuen Roman von T.C. Boyle gar nicht nennen. Die ökologischen Veränderungen durch Klimawandel und Artensterben, die er uns darin vorführt, sind – wo nicht schon Tatsache –mit leidiger Gewissheit absehbar. Dass Kalifornien unter glühender Sonne zu Staub gebacken und von Feuersbrünsten heimgesucht wird, Florida andererseits zusehends im Wasser versinkt, ist allzu nahe Dystopie. Doch Prophet möchte der grosse amerikanische Autor ja auch gar nicht sein. Er ist ein unbestechlicher Beobachter, skeptisch gegenüber manipulativer Moral, bissig in seinem unwiderstehlichen Humor, und gerade deshalb ein so wertvoller, einsichtsreicher Chronist unserer unheimlichen Gegenwart. Unter den blauen Himmeln der genannten beiden amerikanischen Paradiese haut er uns diesmal den Weltuntergang um die Ohren – allerdings ganz anders, als wir uns diesen üblicherweise imaginieren.
Dass T.C. Boyle noch die alltäglichsten Dinge zur spannenden, befremdlichen Lektüre auszugestalten versteht, müssen wir wohl niemandem, dem schon mal eins seiner Bücher zwischen die Finger kam, noch eigens erläutern. Das kommt ihm in seinem neuen Roman ganz hervorragend zupass, in dem er uns in den Alltag einer mittelständischen amerikanischen Familie entführt, der die ökologische Apokalypse unaufhaltsam ihre kleinen, persönlichen Katastrophen beschert. Da wäre Tochter Cat, die nach Florida übergesiedelte Influencerin, die eine Tigerpython für ein ganz prächtiges Modeaccessoire hält. Der umweltbewegte Sohn Cooper, der auch nicht alles weiss. Die wohlmeinende Mom, Ottilie, die auf Insekten als Proteinquelle umstellt und zur Imkerin wird. Und die Natur, die tut, was sie halt so tut: Schön sein, Krankheiten verbreiten, wachsen, faulen, fressen, weitermachen. Man versucht sich dem nahenden zivilisatorischen Abendrot anzupassen, es sich schönzutrinken, Schäden zu reparieren. Man streitet, sorgt füreinander, lacht, verzweifelt, rafft sich auf. Genügt das? Kann es?
Im Sinne eines fulminanten Lesevergnügens genügt es vollauf. Wir verbünden uns mit jeder der Figuren, fühlen jede Wendung schmerzhaft, grinsen gleichwohl darüber. Ob es auch ausreicht, um daraus – angelegentlich der erzählten Geschichte jetzt – eine nachhaltige neue Welt zu zaubern, wollen wir verschweigen. Soviel immerhin: T.C. Boyle ist kein Optimist. Er mag uns keine wohlfeile Lösung anbieten, nirgends ersteht ein Gott aus der Maschine, er überlässt auch die zu ziehenden Schlüsse ganz uns selbst. Dass wir aus seinem Roman trotzdem mit seltsam erhobenem Sinn herausgehen, ist seine grosse Kunst. Die andere ist es, uns unabweislich vorzuführen, wie selbst der prächtigste, von der Bodenkrume abgenabelte, digitale Lebensentwurf an den biologischen Grundlagen hängt: Wie auch wir selbst nur Biologie inmitten Biologie sind. Oder ist auch dies bereits wieder eine nur persönliche Interpretation? Machen Sie sich selbst ein Bild. Dass es ein facettenreiches, aufrüttelndes, bereicherndes sein wird, können wir versprechen.
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