Buch «Eine solidarische Leistungsgesellschaft»

Buch «Eine solidarische Leistungsgesellschaft»

Epochenwechsel nach der Blamage der Marktradikalen

Wenn Erhard Eppler „Leistungsgesellschaft" sagt, meint er damit nicht die Ellbogen- und Wettbewerbsgesellschaft, die wir in den letzten Jahrzehnten mit dem Begriff gleichzusetzen gelernt haben. Er meint damit eine Gesellschaft, in der auch Leistungen jenseits der definierten Märkte und des BIP, Leistungen für die Familie oder die Gemeinschaft etwa, auf ihren Lohn hoffen können. Das bedeutet das Wörtchen „solidarisch", das er der Leistungsgesellschaft voransetzt. In seinem Buch zeigt er auf, welche Möglichkeiten sich uns eröffnen, wenn die „Leistung" nicht mehr mit marktwirtschaftlichem Erfolg gleichgesetzt wird.

Autor  Erhard Eppler
Verlag  J.H.W. Dietz Verlag
Umfang  135 Seiten
ISBN  978-3-8012-0422-8
Preis  Fr. 22.90 (UVP)

 

Er tut dies, indem er erst einmal nachzeichnet, wie sich die soziale Marktwirtschaft schleichend von der marktradikalen Ideologie unterwandern liess. Obwohl er als SPD-Politiker wacher und kritischer Zeuge dieses Vorgangs war, gelingt es ihm, dies bemerkenswert kurz und klar darlegen. So kann er sich im Grossteil seines Buches nicht zur Vergangenheit, sondern zu Gegenwart und Zukunft seine Gedanken machen. Nachdem er die Finanzkrise als eine Blamage für die Marktradikalen erlebte und interpretiert, bemerkt er mit Sorge, wie dieselben Kräfte scheinbar unwidersprochen ihre Politik weitertreiben, als wären der Gesellschaft insgesamt die Ideen ausgegangen. Dieser Sprach- und Ideenlosigkeit hält er in kurzen Kapiteln und Analysen manche „alten", in den Siebzigern angedachten Vorschläge und allerlei neuere Möglichkeiten zur nachhaltigen Zukunftsgestaltung entgegen. Dass dabei viele bereits bekannte und in anderen Schriften vorgeschlagene Strategien zur Formulierung gelangen, ist wohl unvermeidbar. Das Verdienst des Buches ist es nicht, eine neue Utopie zu entwerfen, sondern nah an der gegenwärtigen Realität die Belohnungen an Lebensqualität, die ein erster kleiner Schritt weg vom ausgelatschten Pfad bereithalten könnte, in Aussicht zu stellen. Sein beiläufiger Nachweis, wie Gleichheit und Freiheit sich keineswegs aneinander reiben müssen, sondern sich zu weiten Teilen gegenseitig bedingen, ist nur ein Beispiel dafür. Sein zweites Verdienst ist es, eine Zusammenfassung vieler wertvoller wachstumskritischer Bücher der letzten Jahre zu schaffen, die den Leser trotz ihrer Knappheit mit grosser Verständlichkeit und einem zügigen Sprachfluss erfreut. Bei all seiner nüchternen Sachlichkeit bleibt der Autor immer spürbar, im Zorn wie in der Begeisterung. Der Zorn ist ein kontrollierter Zorn, der sich differenziert zu artikulieren versteht, und die Begeisterung überspringt keine unliebsamen Hindernisse. Genauso wie Erhard Eppler den Parolen von Wirtschaftswachstum und Privatisierung kritisch gegenübersteht, verzichtet er nicht auf die Hinterfragung der Alternativen. Ob es nun um Bildung, Umweltschutz, die Anforderungen einer mündigen Zivilgesellschaft oder unser christliches Menschenbild geht, er weiss überzeugende Analysen und einprägsame Gedanken beizusteuern. Seine beunruhigende Darlegung der Einbussen an Lebensqualität, die die zunehmend ungleiche Wohlstandsverteilung der Weltbevölkerung uns – egal ob arm oder reich - abverlangt, ragt selbst aus diesem guten Gesamteindruck noch einmal heraus.

Bücher, die wir zum Zweck der Gedankenstütze und Inspiration gerne ständig bei uns tragen würden, lassen sich an einer Hand abzählen. Dieses hat sich selbstbewusst bei ihnen eingereiht. Nicht, weil wir dem Autor stets und bedingungslos zustimmen. So lässt er Themen aus, die uns zur Vervollständigung seiner Gedankengänge wesentlich scheinen; die Wirkung der Medien beispielsweise. Auch verharmlost er, unserer Meinung nach, in leider schon klassischer linker Manier die Migrationsproblematik, und zeichnet ein zu idealistisches Bild eines Vereinigten Europa. Wir fühlen uns davon nicht abgeschreckt, sondern zur vertieften Auseinandersetzung angeregt. Und genau hierfür bietet das Buch eine Grundlage, wie sie in ihrer Dichte, Verständlichkeit und ihrem Scharfsinn ungemein selten ist.

Rezension: Sacha Rufer

 

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