Buch «We feed the World»

Buch «We feed the World»

Der vielfach preisgekrönte Dokumentarfilm ist ein Film gegen die Verdrängung.

Wenn uns der Film gleich zum Auftakt vorführt, wie irgendwo in Wien Lastwagenladungen von gutem Brot zum Zweck der späteren Vernichtung auf einen Betonboden gekippt werden, denken wir vielleicht noch, dass wir als Gattung einfach verrückt geworden sind. Doch während uns das Filmteam quer durch Europa und schliesslich nach Brasilien führt, schwant uns bald die kalte Logik, die dahinter steht, und wie weit wir diese begünstigen, indem wir wegschauen.

Autor  Erwin Wagenhofer (Regie)
Verlag  AllegroFilm, Frenetic Films
Umfang  96 min.
ISBN  
Preis  Fr. 19.90 (UVP)

 

Der vielfach preisgekrönte Dokumentarfilm ist ein Film gegen die Verdrängung. Wenn uns der Film gleich zum Auftakt vorführt, wie irgendwo in Wien Lastwagenladungen von gutem Brot zum Zweck der späteren Vernichtung auf einen Betonboden gekippt werden, denken wir vielleicht noch, dass wir als Gattung einfach verrückt geworden sind. Doch während uns das Filmteam quer durch Europa und schliesslich nach Brasilien führt, schwant uns bald die kalte Logik, die dahinter steht, und wie weit wir diese begünstigen, indem wir wegschauen. Statt eines Erzählers kommen in dem Film die Produzenten jener Nahrungsmittel zu Wort, die wir mit gutem Menschenrecht täglich in unsere Einkaufswagen laden. Da ist der desillusionierte Angestellte eines Saatgutkonzerns, der sich so gar nicht für sein Hybridsaatgut begeistern kann, das den Bauern in Rumänien mittels staatlicher Subventionen aufgedrängt wird. Oder der seltsam ausdruckslose Masthühnchenzüchter mit seinen eher verwirrenden Erklärungen zum Zustand der Landwirtschaft und ihrer Nutzniesser, die sich von ihren werbungsinduzierten Vorstellungen eines romantischen Landlebens blenden lassen. Und schliesslich auch der Konzernchef von Nestlé, Peter Brabeck, der sich über die psychologische Trauerstimmung bei den Leuten verwundert, denen es doch an nichts mangelt, und sich dann über Bilder von automatisierten Produktionshallen freut. Obwohl sich der Film mit Kommentaren zurückhält und sich selbst Jean Ziegler grösstenteils auf die Vermittlung der brutalen Fakten beschränkt, wird er keinen Zuschauer im Glauben lassen, die Industrialisierung der Landwirtschaft sei ein uneingeschränkter Segen. Die Bilder bieten genügend Kontrapunkte dafür. Wir sehen die brasilianische Mutter, die ihren Kindern notgedrungen schmutziges Wasser einflösst, und ihr verlorenes Lächeln, wenn sie sagt, dass es ihnen hier nicht so gut geht. Wir sehen viele Plastikbehälter voll zerschundener, gequetschter Fische aus den Netzen der grossen Fischereiflotten. Wir sehen, wie lebende Küken, die nach der Mast einmal unser Poulet sein werden, auf Fliessbänder geworfen werden: Ein steter gelber Strom, der am Übergang zum nächsten Fliessband zum gelben Wasserfall wird. Auch der ganze Rest dieses Weges der Hühnchen in die Plastikfolie wird uns kühl zugemutet. Selbst der eherne Rationalist wird hierbei nicht jede Gefühlsregung abwürgen können. Doch durch die geschickte Anlage des Films wird jede Entrüstung, die aufflackert, ins Hirn abgeleitet: Er hinterlässt uns nicht mit dem aufregenden Thrill der Empörung, sondern mit der ernsthaften Frage, wo unser Platz in diesem Geschehen ist, und ob dieser Platz uns gefällt.

Wenn wir sagen, der Film sei ein Film gegen die Verdrängung, so deutet das schon an, dass er sich dem Zweck der Unterhaltung erfolgreich verweigert. Daraus lässt sich Kritik formulieren: Einem eventuellen Wunsch, er möge ein möglichst breites Publikum finden, legt er damit Steine in den Weg, und wohlfeile Antworten bietet er gar keine. Doch wir neigen dazu, dies als seine Stärke zu interpretieren. Wir fühlten uns von den Filmemachern und ihrem Werk stets als eigenständig denkende und fühlende Wesen angesprochen. Mit seiner Weigerung, den Zuschauer zu gängeln, zeigt er genauso viel Respekt vor der Komplexität der Materie wie vor seinem Publikum. Dadurch ist es nicht nur ein kluger und aufrüttelnder, sondern auch ein glaubwürdiger Film.

Rezension: Sacha Rufer

 

 

 

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