Autor | Jonathan Safran Foer |
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Verlag | Kiepenheuer & Witsch |
Umfang | 399 Seiten |
ISBN | 978-3-462-04044-9 |
Preis | Fr. 28.90 (UVP) |
In einem wagemutigen Brückenschlag zwischen Dokumentation, Autobiografie, Journalismus und philosophischer Betrachtung konfrontiert uns das Buch mit den Folgen unseres scheinbar unerschöpflichen Bedürfnisses nach Fleisch. Während der drei Jahre seiner Recherche verschaffte sich der Autor – manchmal illegal – Zugang zu Mast- und Schlachtereibetrieben, interviewte Züchter, Experten und Angestellte der Fleischindustrie, diskutierte mit Vegetariern und hinterfragte die Motive und Praktiken der Vertreter einer alternativen Landwirtschaft genauso wie die kulturelle Bedeutung des Konsums von Tieren. Und da er sein Unternehmen aus persönlichen Gründen startete und sein Studium der Philosophie nicht verleugnen kann, hinterfragte er sich dabei auch selbst. Im Ergebnis kann man seinem Buch zwar strukturelle Schwächen nachweisen. Im Aufbau ist es wenig geradlinig, in seiner Berichterstattung fast durchweg ausschweifend, in seinen Argumenten manchmal repetitiv. Das wären gewichtige Kritikpunkte, gelänge es Jonathan Safran Foer nicht gerade durch diesen Erzählstil, die dem Gegenstand angemessene Wucht zu entfalten. Was er uns zu berichten hat, ist mit dem Begriff „verstörend" noch kaum abgedeckt. Da werden Rinder lebendig gehäutet, und Hühner schwimmen zur kühlenden Lagerung in einem Wasserbad, das als Fäkalsuppe passend beschrieben ist. Die Art, in der er es uns berichtet, zwingt uns zur ernsthaften Auseinandersetzung nicht nur mit den moralischen Appellen des Autors, sondern auch mit den Argumenten der Gegenseite. Obwohl er selbst in den Recherchejahren – nicht überraschend – zum überzeugten und konsequenten Vegetarier wurde, geraten seine ethischen Erörterungen nicht zur Zeigefinger-Rhetorik. Wenn er die Ansichten der militanten Tierschützerin jenen des engagierten Nutztierhalters gegenüberstellt, finden sich auf jeder Seite zweifelhafte Aussagen, und der Autor selbst tastet sich nur vorsichtig, dafür aber ehrlich an seine Positionen heran. Dank der Bemühungen der Übersetzer lässt das Buch dem Leser auch nicht den Ausweg, die geschilderten Zustände als „amerikanisch" von sich zu weisen. Es ist für unseren europäischen Raum leider genauso repräsentativ.
Ein Buch wie dieses ist unbehaglich. Es berührt uns zwar und weckt unser Mitgefühl, was ja meist als angenehm erlebt wird. Es kitzelt aber auch unbequeme Fragen hoch, versucht sogar, uns zu einer Änderung unseres Lebenswandels zu überreden. So freundlich es dies auch tut, gemütlich ist das nicht. Eine Buchbesprechung zu einem solchen Werk stellt die Frage: Will ich mir das antun? Die Antwort ist: Ja. Tun Sie's.
Rezension: Sacha Rufer
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