Buch «Kleptopia»

Buch «Kleptopia»

Wie uns Finanzindustrie, Politik und Banken für dumm verkaufen

Irgendwann während des letzten amerikanischen Wahlkampfzirkus überfiel den „Rolling Stone"-Journalisten Matt Taibbi die Erkenntnis, dass es seiner Absicht einer aufklärerischen Berichterstattung dienlich sein könnte, sein tiefgreifendes Unwissen über finanzwirtschaftliche Zusammenhänge etwas aufzupolieren. Das tat er dann, und zwar mit imposantem Eifer. Sein Buch bietet einen faszinierenden Einblick in finanzpolitische Zusammenhänge und damit in ein System, das unmoralische, gar verbrecherische Machenschaften hinter Komplexität tarnt und schlichte Gier zum ethischen Imperativ erhebt.

 

Autor Matt Taibbi 
Verlag Riemann Verlag
Umfang 368 Seiten
ISBN 978-3-570-50140-5
Preis Fr. 24.50 (UVP)

 

Im Grunde ist das Buch eine Sammlung von sieben Fallstudien, zusammengehalten von ihrem direkten Bezug zu den letzten Wirtschafts- und Finanzkrisen, aber auch durch den erfrischend aufsässigen Tonfall des Autors. „Die organisierte Gier triumphiert immer über die desorganisierte Demokratie" behauptet er, und er liefert die diese These stützenden Fakten als Dauerfeuer. Er sucht die Ursachen weniger in den Systemmängeln des Kapitalismus als in der entfesselten, hungrigen Selbstüberhöhung von Bankern, Managern und Politikern. Diese gehen, gut getarnt in einem undurchschaubaren Dschungel von Finanzinstrumenten und geschützt von einem Labyrinth aus Verordnungen, mit bestechender Regelmässigkeit auf Raubzug. Diesen Dschungel zu lichten, das Labyrinth zu durchdringen bricht der Autor auf. Das gelingt ihm bemerkenswert gut, und in der Folge erfährt der Leser nicht nur von den zwielichtigen Vorgängen in den hell erleuchteten Büros der Finanzpiraten, sondern bekommt auch gleich deren Waffenarsenal erklärt. Es hat schon eine gewisse Unverfrorenheit, wenn Matt Taibbi den Wirtschaftsguru Alan Greenspan als grösstes Arschloch des Universums bezeichnet. Doch wenn er dessen Entscheidungen und Motivationen zerpflückt und nachweist, wie gründlich und durchgängig der grosse Weise in seinen wirtschaftlichen Prophezeiungen irrte, während er das Vermögen der Superreichen dennoch auf wundersame Weise zu mehren vermochte, wird seine Inbrunst nachvollziehbar. Genauso erhellend sind seine weiteren Exkurse, und nicht wenige seiner Einsichten überraschen. So beispielsweise jene zur Obamaschen Gesundheitsreform, die ja nicht wenige von uns Europäern mit Wohlwollen zu betrachten gewohnt sind. Der tiefere Einblick in die zugrundeliegende Gesetzgebung und Geschäftspraxis ist mehr als nur ernüchternd. Ebenso scharfsichtig ist seine Analyse und Darlegung des Ayn Randschen „Objektivismus", der für die Praktiken und Rechtfertigungen der globalisierten Finanzwirtschaft von so grundlegender Bedeutung ist.

Man wird, das ist vorauszusagen, Matt Taibbi mit der Betitelung als Verschwörungstheoretiker abzukanzeln versuchen. Das liegt nahe, nennt er doch die Namen von prominenten Banken und Persönlichkeiten, unterschiebt ihnen gemeinschaftliche Zielsetzung und plaudert von Absprachen. Doch abgesehen davon zeigt er keine Argumentationsgewohnheiten eines Paranoikers. Stattdessen besticht er mit Humor und beträchtlichem Fleiss im Bemühen, seine Fakten abzusichern. Wenn er das moderne Amerika als einen Jagdgrund für Reiche nach den Sparstrümpfen der Ärmsten charakterisiert, wird ihm von dieser Seite nur schwer beizukommen sein.

Rezension: Sacha Rufer

 

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail redaktion@umweltnetz-schweiz.ch

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.