Autor | Hal Herzog |
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Verlag | Hanser Verlag |
Umfang | 315 Seiten |
ISBN | 978-3-446-42922-2 |
Preis | Fr. 27.90 (UVP) |
Die Anthrozoologie hat Berührungspunkte mit den unterschiedlichsten Wissenschaften und ist damit ein gutes Beispiel für Interdisziplinarität. Hal Herzog ist Psychologe, und so nähert er sich dem Gebiet erst einmal aus dieser Richtung. Doch mehr noch als mit dem menschlichen Gemütsleben setzt sich sein Buch mit moralischen Fragen auseinander, insbesondere mit den wunderlichen Ambivalenzen und Paradoxien, denen wir bezüglich unseres Umgangs mit Tieren anheimfallen. Als Wissenschaftler kam der Autor mit einer von deren weithin verabscheuten Ausformungen, den Tierversuchen, in direkten, zwiespältigen Kontakt. Doch was ist auf der anderen Seite von jemandem zu halten, der zwar keine Spinne erschlägt, sich jedoch trotz aller Schauermeldungen des Fleischgenusses nicht enthalten will? Und ist es vernünftig, ein Krokodil zu erschiessen, weil es einen unvorsichtigen Jungen für seine Nahrungsration hielt? Ist ein Hummer weniger würdig als ein Seidenäffchen? Was ist grausamer: Chicken McNuggets oder ein Hahnenkampf? Die Widersprüche lauern überall, und sie können absurde Ausmasse annehmen. Über den Umgang der Nazis mit „Untermenschen" wissen wir ja beispielsweise Bescheid, etwas weniger verbreitet ist dagegen das Wissen über ihr revolutionäres, den Tieren einzigartige Rechte einräumende Tierschutzgesetz. Gerade dieses Beispiel ist heikel genug, uns klar vor Augen zu führen, wie brisant die ethischen Probleme hier werden können. Unser Umgang mit Tieren spiegelt nicht nur unsere Verbundenheit mit der Natur, sondern genauso unsere Wahrnehmung und Bewertung unserer selbst als Individuum und Gattung, und er eignet sich grossartig dafür, die Fragilität der Empfindungen, Meinungen und Ratschlüsse, die wir unserem moralischen Handeln zu Grunde legen, zu verdeutlichen. Hal Herzog kleidet jede einzelne seiner unzähligen scharfsinnigen Fragestellungen in höchst unterhaltsame Geschichten, Beispiele und Anekdoten, und indem er uns lieber mit Menschen als mit Statistiken konfrontiert, behält sein Buch eine anregende Lebendigkeit. Es lässt sich als Einführung in die Fragen des Tierrechtes ebenso lesen wie als Exkurs in die psychologischen Bausteine der Ethik, und es versammelt daneben noch eine Menge spannender Informationen aus Ethno- und Anthropologie, Zoologie, Soziologie usw.
Da wir das Buch hier im Rahmen einer Umweltschutz-Website besprechen, scheint uns noch eine weitere Anmerkung angebracht. Der Tierschützer wird in dem Buch mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den einen oder anderen Gedanken treffen, der ihm sauer aufstösst. Das liegt beileibe nicht daran, dass der Autor ein mit Tierquälern sympathisierender Lump wäre. Doch angesichts vieler der Fragen, die sein Buch uns so klar vor Augen führt, ringt er spürbar selbst um eine Antwort. Finden lässt sich diese nicht von einem einzelnen Experten, zumindest nicht, wenn der sich der Widersprüche unseres Empfindens, unserer Bedürfnisse und unseres Handelns so unvoreingenommen annimmt wie dieser. Was Hal Herzog von seinem Leser fordert, ist eine Inspektion der eigenen Denk- und Motivationsmuster, und er fordert sie vom Fleischkonsumenten, Zoowärter oder Laborassistenten genauso wie von der Tierrechtsaktivistin oder dem Anhänger der Delphintherapie. Für einen ernsthaften, wirksamen Tierschutz ist dies von essentieller Bedeutung. Er unterstützt uns dabei, indem er die benötigte Information in die Form eines unwiderstehlich vergnüglichen Sachbuches giesst.
Rezension: Sacha Rufer
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