Autor | Wolfgang Schmidbauer |
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Verlag | Murmann Verlag |
Umfang | 206 Seiten |
ISBN | 978-3-86774-182-8 |
Preis | Fr. 28.50 (UVP) |
Dieser Schiffbruch beschwört weniger Symbolkraft dadurch, dass er überhaupt geschah, als dadurch, wie die Betroffenen in seiner Folge damit umgingen. Nachdem das Schiff auf einer Sandbank auflief, besetzten Kapitän und Offiziere schnell die Rettungsboote, liessen aber ein grosses Floss zimmern, das von den Rettungsbooten gezogen werden sollte. Das Floss war derart überdimensioniert, dass es ob der Last der Menschen hüfttief unter Wasser stand und an eine Fortbewegung nicht mehr zu denken war. Die Leinen wurden gekappt, das Floss den Wellen überlassen, und bald kam es darauf zu einem brutalen Überlebenskampf samt Mord und Kannibalismus. Der zur Katastrophe führende Denkfehler wurde immer gern an der Autoritätsgläubigkeit der Zeitgenossen festgemacht, doch für den Autor ist ein zweiter entscheidender. Hätten nicht mittels vieler kleiner Flösse, ausgerüstet mit Paddeln und Behelfssegeln, viel mehr Schiffbrüchige das Land erreicht? Das grosse Floss symbolisiert in seiner Interpretation den Konsumismus und die Wachstumshörigkeit unserer Zeit. Als Psychologe führt er uns vor, wie diese unser Seelenleben umgestalten und uns mit Kurs auf die Klippe auf Trab halten. Er übt damit eine Kulturkritik, die in ihren gesamtgesellschaftlichen Analysen wenig originell ist und gegen die die rationalen Reflexausflüchte schon automatisiert sind. Doch indem er uns als Individuen anspricht, wird er unbequem. Wolfgang Schmidbauer wagt es, tiefer zu schürfen und dabei auch am Selbstgefallen der ökologisch Reflektiertesten unter uns kräftig zu rütteln. Glücklicherweise verhilft er uns auch zu Ideen darüber, wie wir der Zwangslage ein Schnippchen schlagen können. Er plädiert dafür, sich auch beim Kauf von „ökologisch korrekten" Produkten zu fragen, ob wir diese brauchen, für eine Rückkehr zu räumlich erreichbaren Gemeinschaften und körperlich erfahrbaren Beziehungen und fürs Basteln. Fürs Basteln? Lassen Sie sich überraschen.
Ein Schwachpunkt des Buches, wenn auch vielleicht nicht des Autors, ist sein Mangel an Humor. Die Bedrohungslage zeigt sich als übermächtig, die eigene Verstrickung als Schuld. Beides sind lähmende Faktoren, die sich nur durch eigene Anstrengung bezwingen und in Motivation verwandeln lassen. Diese wäre mit einem Lächeln auf den Lippen sicher leichter aufzubringen. Wer ein solches aus sich selbst heraus aufflackern lassen kann, wird sich in dem Buch nicht nur hintergründig gespiegelt, sondern auch zu sinnvoller Zukunftsgestaltung unterstützt finden: Egal, ob und welche Katastrophen nun kommen.
Rezension: Sacha Rufer
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