Buch «Lonesome George»

Buch «Lonesome George»

oder Das Verschwinden der Arten

George ist ein Galápagos-Riesenschildkröterich. Einsam ist er, weil er der Letzte ist; zumindest der Letzte jener Unterart von Riesenschildkröten, die auf der Galápagos-Insel Pinta beheimatet war. Seine Geschichte ist nur eine von vielen, die der Biologe und Journalist Lothar Frenz uns in seinem unaufgeregten, aber um nichts weniger spannenden Buch über das weltweite Artensterben erzählt.

 

Autor Lothar Frenz 
Verlag Rowohlt.Berlin
Umfang 346 Seiten
ISBN 978-3-87134-738-2
Preis Fr. 28.50 (UVP)

 

Die Weltreise, zu der der Autor uns einlädt, startet auf der Nordhalbkugel. Er führt uns von Schauplätzen in Nordamerika nach Europa und Asien, dann in spitzer Kehre hinunter nach Afrika und weiter nach Südamerika, Australien und Neuseeland, wo er schliesslich - wenn wir beim Reisebild bleiben - senkrecht nach oben düst und den Blick auf den gesamten Globus weitet. Auf jedem Kontinent erteilt er uns Anschauungsunterricht bezüglich des baldigen oder längst vollendeten Aussterbens von mindestens drei Tierarten. Zwar konzentriert er sich dabei mehrheitlich auf attraktive, charismatische Grosstiere, macht sich aber nirgends verdächtig, die Tränendrüse als Selbstzweck zu betätigen. Mit mildem Humor kann er eine geschickte Balance zwischen Anteilnahme und naturwissenschaftlichem Abstand halten und auch den bereits bewanderten Leser mit seinem Hintergrundwissen und seiner tiefschürfenden Recherche überraschen. Er schafft so inmitten der erschütternden Tatsachen des anschwellenden Artensterbens einen kurzweiligen Lesestrom, sensibilisiert uns mühelos für die verzweigten Zusammenhänge und ausufernden Folgewirkungen in Ökosystemen und reizt uns, hinter die Vorhänge des Offensichtlichen zu gucken.

Da kann er uns dann eindrücklich aufzeigen, dass jene grandiosen, vermeintlich so „natürlichen" neuseeländischen Landschaften, durch die Frodo den Einen Ring zum Schicksalsberg trug, sich eigentlich längst in einem Kriegszustand befinden, der selbst Naturschützer zu martialischen Mitteln und Positionen verleitet. Oder er kann uns nachvollziehbar schildern, wie die Bestände des einstmals zahlenstärksten irdischen Vogels, der Wandertaube, mit der freudigen Beihilfe, aber doch wider jede Erwartung der Menschen vollkommen zusammenbrechen konnten. Dazwischen setzt er Tupfer der Hoffnung: Der bislang siegreiche Einsatz für die verbliebenen afrikanischen Rhinozerosse oder die Aufzucht von Kalifornischen Kondoren durch puppenspielende Ornithologen künden von den mühselig erkämpften, aber umso wertvolleren Erfolgen des Artenschutzes. Nicht selten sind die Geschichten um die Akteure des Tierschutzes, der menschlichen wie der tierischen, nachgerade skurril. Unterhaltsam sind sie immer.

Bei alledem lässt Lothar Frenz den Leser frei zu seinen eigenen Schlüssen und Meinungen kommen. Ist es sinnvoll, den australischen Beutelwolf zu klonen? Wieso dieses hübsche Tier retten, und jenes hässliche dort nicht? Und wozu brauchen wir überhaupt Frösche? Es zeugt vom Respekt vor der Verstandeskraft des Publikums, diese Fragen aufkommen zu lassen, aber nicht gleich beantworten zu wollen. Wir, als Umweltbewegte, konnten zwischendurch kaum unsere Regung bezähmen, ein paar lehrreiche Argumentationen zwischen die Zeilen zu kritzeln. Dennoch müssen wir knirschenden Zahns gestehen, dass dies eine weitere Stärke des Buches ist. Man mag es drehen und wenden, wie man will: Ein massives Artensterben ist losgetreten, und der moralisch sichere Oberlehrersessel ist nicht die Position, aus der heraus wir die Fragen und Massnahmen zu unserem Umgang damit mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit erörtern können. Lothar Frenz ist sich dessen bewusst und stellt uns den Sessel gar nicht erst bereit. Er bietet uns stattdessen einen stabilen Sockel an historischem und ökologischem Fachwissen und an seinen rund um den Globus gewonnenen Erkenntnissen bezüglich des Artenschutzes und jener höchst erfolgreichen Raubtiere, deren Veranlagungen in diesem Zusammenhang am schwersten zu kontrollieren sind...Uns.

Rezension: Sacha Rufer

 

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