CRISPR/Cas9, Talen und ODM: Diese modernen Verfahren zur Veränderung genetischen Materials wurden letzten Mittwoch vom Europäischen Gerichthof EuGH als Gentechnik eingestuft. Sie fallen jetzt unter die seit 2001 in der EU sowie der Schweiz geltenden Richtlinien für grüne Gentechnik, der Anwendung von Gentechnik in der Pflanzenzucht. Während sich Umweltorganisationen über das Urteil freuen, erntet es von der Forschungsgemeinschaft heftige Kritik.
Was bisher geschah
Anders als in den USA unterliegen gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) in der EU strengen Regulierungen. Diese beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, nach dem Schäden für die Umwelt im Voraus vermieden werden sollen. Aufgrund der hohen Bewilligungshürden werden GVOs in der EU deshalb praktisch nicht freigesetzt.
Laut den EU Richtlinien über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt führen aber nicht alle gentechnischen Methoden zu GVOs. Von den Regulierungen ausgeschlossen – und sogar explizit als nicht gentechnisch aufgelistet - sind nämlich die sogenannten ungerichteten Veränderungen des Erbgutes. Dabei handelt es sich um das Einführen von Mutationen durch die Behandlung mit radioaktiver Strahlung oder Chemikalien. Solche Mutagenese-Techniken würden in der Pflanzenzucht seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet werden und seien unbedenklich. Ausserdem sei ungerichtete Mutagenese auch in der Natur allgegenwärtig. So sind wir ständig Mutationen verursachenden Einflüssen - wie etwa den Sonnenstrahlen - ausgesetzt.
Laut Art. 2 Abs. 2, 2001/18/EG ist ein Organismus erst dann als GVO einzustufen, wenn sein genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.
Schrotflinte ja - Skalpell nein
Seit 2001 hat sich in der Forschung einiges getan. Gene-Editing-Methoden, insbesondere die „Genschere“ CRISPR/Cas9, mit der sich gezielt Mutationen einfügen lassen, gelten als vielversprechendes Werkzeug für allerlei Weltverbesserungen. Das geht von Luxusäpfeln, die nicht so schnell braun werden bis zu vitaminreicheren Bananen; in Ländern mit Mangelernährung ein wilkommenes Erzeugnis. Mit moderner Gentechnik veränderte Pflanzen lassen sich nicht mehr von Züchtungen unterscheiden. Sie sollen deshalb auch wie Züchtungen behandelt werden - fordern Befürworter -, das heisst frei angebaut und als Lebensmittel verkauft werden dürfen. Es sei widersprüchlich, zufällige Mutagenese als ungefährlich einzustufen, aber eine gezielte und präzise Methode wie CRISPR/Cas9 zu verbieten. „Als würde man Schrotflinten erlauben, aber Skalpelle verbieten“, meint der Direktor des Botanischen Instituts am Karlsruhe Institute of Technology, Holger Puchta. Es stimme zwar, dass sich mit CRISPR/Cas9 auch fremde Gene ins Erbgut einbauen lassen, um solche Pflanzen ginge es im Urteil aber nicht.
Der Prozess ist entscheidend, nicht das Produkt
Das EuGH argumentiert anders. Obwohl sich das Produkt einer mittels CRISPR/Cas9 induzierten Mutation nicht von einer natürlichen Mutation unterscheide, so würde der Vorgang in der Natur niemals dermassen gezielt und schnell ablaufen. Die Auswirkungen gezielter Mutagenese seien deshalb viel eher gleichzusetzen mit der Einführung eines fremden Gens und solche Transgenese-Methoden liefen unter die Gentechnik-Richtlinien der EU. Die Präzision der neuen Verfahren, die bei Befürwortern für so viel Begeisterung sorgt, ist laut Kritikern ein Grund für Besorgnis.
In der Schweiz gilt bis Ende 2021 noch ein Gentech-Moratorium, doch wie bis anhin in der EU, sei auch hierzulande nicht geregelt, wie die neuen Verfahren einzuordnen seien. Der Bundesrat kündigte bereits an, sich der Sache anzunehmen.
Quellen und weitere Informationen
Hintergründe zu Crispr/Cas, Genome Editing und dem Vorsorgeprinzip
Urteil des EuGH
Gentech-Entscheid: Recht ist halt nicht Biologie
Interview mit dem Direktor des Botanischen Instituts am Karlsruhe Institute of Technology
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