Essen wir bald Gentech-Weizen?

In der Schweiz ist die Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Landwirtschaft verboten – noch! 2017 läuft das Gentech-Moratorium aus. In einem Freilandversuch baut die Universität Zürich in Zusammenarbeit mit Agroscope 2014 erneut Gentech-Weizen an. Das Vorhaben stösst beim Bauernverband und in Umweltkreisen auf Kritik.

Der Gentech-Weizen spriesst auf einem drei Hektar grossen, umzäunten und überwachten Versuchsfeld der eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope in Zürich-Affoltern. In der Anlage sollen Nutzen und Risiken der grünen Gentechnologie erforscht werden, wie Michael Gysi, der Chef von Agroscope, in einer Medienmitteilung berichtet. Beim angebauten Weizen handelt es sich um eine Sorte, der mittels Gentechnik eine Resistenz auf Mehltau eingebaut wurde, einer unter Pflanzen häufige Pilzkrankheit die zum Vertrocknen der befallenen Blätter führt. Tests mit weiteren Pflanzen sind geplant, zum Beispiel mit Feuerbrand-und Schorf-resistenten Äpfeln.

Grosse Saatguthersteller preisen die Vorteile von gentechnisch veränderten (GV) Nutzpflanzen für Landwirte und  für die Sicherstellung der Welternährung an: Da die Pflanzen Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge aufweisen, lasse sich der Einsatz von Pestiziden reduzieren, was für Landwirte zeit- und kostensparend sei. GV-Pflanzen werden mittels gentechnischer Methoden insgesamt zwei sogenannte „transgene“ Eigenschaften eingebaut: zum einen eine Resistenz gegen bestimmte Schadinsekten. Dabei wird die Pflanze gentechnisch so modifiziert, dass sie selber ein Gift herstellt, welches Insekten vernichtet. Zum anderen existieren Resistenzgene gegen Totalherbizide. Entsprechende GVO haben den  „Vorteil“, dass sie unter dem Herbizidregen der Landwirte überleben, während alle unerwünschten Pflanzen eingehen. Aufgrund der einfachen Schädlingsbekämpfung können auf grösseren Flächen Monokulturen angebaut werden, was letztlich die einzige Möglichkeit sei, die weltweit riesige und weiterhin steigende Nachfrage zu befriedigen.

Klingt soweit gut – und es stellt sich die Frage, ob die Unlust vieler Schweizerinnen und Schweizer, gentechnisch veränderte Pflanzen zu essen, letztlich rein emotional begründet ist? Dem ist offenbar nicht so:

„Damit die GV-Agrarrohstoffe überhaupt für die industrielle Lebensmittelverarbeitung verkehrsfähig bleiben konnten, mussten die zugelassenen Grenzwerte für die entsprechenden Herbizidrückstände in diesen Pflanzen nach oben angepasst werden.“
Prof. Angelika Hilbeck, ETH Zürich.

 Das Sparpotential an chemischen Pflanzenschutzmitteln ist sehr kurzfristig, wie die Biologieprofessorin Angelika Hilbeck von der ETH Zürich warnt. Wird über Jahrzehnte dieselbe Pflanzensorte mit demselben Herbizid behandelt, entwickeln sich durch natürliche Selektion ebenfalls Resistenzen bei den Unkräutern. Derselbe Prozess finde auch bei Schadinsekten statt, die rund um die insektizidproduzierenden Pflanzen leben. Letztlich führt dies dazu, dass der Herbizid- und Insektizideinsatz nicht abnimmt, sondern massiv zunimmt, so Hilbeck. Massenhaft Chemie und Monokulturen führen zur einseitigen Auslaugung der Böden, was die Nutzpflanzen erneut anfälliger macht. Das Gegenteil von dem, was die Saatguthersteller versprechen, trifft ein: Wer ja zu Gentech-Pflanzen sagt, sagt auch ja zu immer mehr Chemie in der Landwirtschaft.   
Auch stellt sich die Frage, ob wir die Zukunft der Landwirtschaft in die Hände weniger Saatguthersteller legen wollen. Denn in der Regel lassen Agrarchemiegiganten wie Syngenta oder Monsanto die gentechnisch veränderten Pflanzen patentierten. Die Folge: Landwirte müssen das Saatgut immer wieder neu einkaufen – der Behalt oder Tausch von Samen wird illegal. Um der Gefahr der Aufbewahrung von Saatgut zusätzlich vorzubeugen, tüfteln laut Nature die Biotech-Unternehmen an «Gennutzung-Restriktionstechnologien». Diese sollen GV-Pflanzen so modifizieren, dass deren Samen nicht mehr keimfähig sind. Das Saatgut bringt nur noch eine einzige Generation von Erntepflanzen hervor, ohne je Nachkommen zu bilden. Die Monopol-Schaffung ist für die Saatgut-Multis eine äusserst gewinnbringende Praxis – für Landwirte, insbesondere in ärmeren Ländern, bedeutet sie nicht selten den direkten Weg in den Ruin!

Die Umweltorganisationen Greenpeace bezeichnet die Entwicklung von genmodifizierten Pflanzen als teure Fehlinvestition. Statt Technologien, deren Risiken für Mensch und Umwelt ungewiss sind, empfehlen Umweltorganisationen eine konsequente Forschung im biologischen Landbau. Dies sei der einzige Weg, um die Gesundheit unserer Ökosysteme zu erhalten und eine nachhaltig sichere Nahrungsmittelproduktion zu gewährleisten.

Siehe auch: SR 814.91, Gentechnikgesetz 

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