Nach Schätzungen der UNO landen jährlich 1,4 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel im Müll, während über 800 Millionen Menschen an Hunger leiden und knapp 9 Millionen jährlich an den Folgen von Hunger und Unterernährung sterben. Rund 28 Prozent an weltweitem Ackerland wird zur Produktion von Nahrungsmitteln genutzt, die letztendlich im Abfall entsorgt werden. Nach Angaben des UNO-Reports entstehen dadurch Treibhausgase in der Menge von 3,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Die Vorstellung vom enormen Verbrauch von Ressourcen (Wasser) versteht sich von selbst. Wie sieht es bei uns in der Schweiz aus?
Von den Lebensmitteln, die in der Schweiz produziert werden, geht rund ein Drittel zwischen Feld und Teller verloren. Das entspricht pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen Nahrungsmittel, die wir nicht essen. Privathaushalte und Gastronomie werfen knapp die Hälfte davon weg, den Rest verursachen die Detailhändler, Verteiler und Produzenten.
Letztere, also Landwirtschaft und Verarbeitungsindustrie, verursachen 43% der Abfallmenge durch Überproduktion und Nichtbeachten von verwertbaren Nebenprodukten. Klassisches Beispiel: Im Kartoffelacker stecken nach der maschinellen Ernte die kleingeratenen Knollen, die von der Maschine der Grösse wegen nicht geerntet werden. Immerhin werden diese als Gründünger wiederverwendet. Trotzdem unverständlich, bedenkt man die regelmässig grossen Importmengen von Kartoffeln bei schlechten Ernten. Über 60% der gesamten Kartoffelproduktion geht verloren, was auch mit der oft unsinnigen Verarbeitung und Lagerung zusammenhängt. Belässt man die Knollen ungewaschen, beginnen sie viel später zu keimen und können über Monate gelagert werden.
Wir können direkt etwas bewirken
Leicht verständlich deshalb, wieso sich so viele neue Projekte und Organisationen darum bemühen, uns in unserem Konsumverhalten zu beeinflussen. Schweizer Haushalte `verzichten` jährlich auf 1`035`000 t Nahrungsmittel, was 45 % der Abfallmenge ausmacht. Dafür gibt es vielfältige Gründe. Vielen Leuten fehlt die Zeit, um für Einkaufen und Essen zu planen. Sie kaufen spontan und überlegen nicht, welche Reste Zuhause im Kühlschrank noch zu gebrauchen wären. Reste, die oft durch falsches Portionieren entstehen, was durch kurzes Abhören der Magengeräusche und sorgfältiges Lesen der Mengenangabe eines Rezepts leicht verhindert werden könnte. Allzu gerne verlassen sich Konsumenten auf Haltbarkeitsdaten, anstatt ihren Sinnen zu vertrauen. In vielen Fällen lässt sich mit Sehen, Riechen oder Schmecken leicht feststellen, ob Lebensmittel noch geniessbar sind.
Der Schweizer Verein foodwaste.ch informiert ausführlich und ideenreich über Massnahmen, die zu Hause getroffen werden können, um Lebensmittelverschwendung vorzubeugen.
Auch spielt eine Rolle, wie wir einkaufen. Bestehen wir beispielsweise darauf, noch am späten Samstagnachmittag frischen Zopf für den Sonntagsbrunchs zu kaufen, backen die Detailhändler extra für uns `späten` Konsumenten einige Ofenladungen. Die restlichen Zöpfe gehören zu den fünf Prozent der Lebensmittelverschwendung, die der Detailhandel verantwortet.
Man kann versuchen, Arrangements mit dem Quartierbäcker oder dem Betreiber des kleinen Gemüseladens um die Ecke zu treffen und abends unverkaufte Lebensmittel entgegenzunehmen. In einer rechtlichen Grauzone bewegen sich sogenannte Dumpster Diver, also `Mülltaucher`, die aus Mülltonnen von Lebensmittelgeschäften noch verwertbare Lebensmittel entnehmen.
Politik und Wirtschaft müssen reagieren
Die Subventionspolitik gegenüber den Schweizer Bauern führt zu unrealistischen Produktionskonditionen. Diese überproduzieren dann Güter, um marktfähig zu bleiben. Eine Folge davon sind vernichtete Butterberge und verbrannte Obsternten (und damit ist nicht Schnapsbrand gemeint). Spekulationen auf dem globalen Nahrungsmittelmarkt verunmöglichen zudem Planungssicherheit für die Landwirte und führen zu Preissprüngen. Alleine 2010 erlitt die Schweizer Landwirtschaft aufgrund der Preissprünge für Grundnahrungsmittel einen Schaden von 100 Millionen Franken. Hinter dieser Zahl steht natürlich eine riesige Menge weggeworfener Lebensmittel.
Reale Preisgestaltung der Nahrungsmittel würde die Situation positiv verändern. Mit ein Grund, weswegen die Lebensmittelverschwendung in westlichen Staaten so viel höher ausfällt, sind die niedrigen Kosten für Nahrungsmittel. Eine gezielte, massive Überproduktion, gefördert durch aggressive Wirtschaftspolitik, sichern uns diesen Überfluss. Im Durchschnitt geben die Schweizer lediglich 7% ihres Haushaltseinkommens für Essen aus. Man könnte meinen, es sollte uns mehr wert sein.
Weitere Informationen:
foodwaste
spekulationsstopp
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