Wo viel entsteht und wenig bleibt

Der Eindruck täuscht: Zumindest was Fische anbelangt, sind die Pole viel mehr ökologische Hotspots als bisher angenommen. Der Eindruck täuscht: Zumindest was Fische anbelangt, sind die Pole viel mehr ökologische Hotspots als bisher angenommen.

Eine diesen Juli veröffentliche Studie zeigt: Es entstehen mehr neue Fischarten in kargen Polarmeeren als in tropischen Gewässern.

 

Dort, wo besonders viel kreucht und fleucht, ist es typischerweise warm. Und feucht. Verglichen nicht nur mit den Extremen der kargen Polregionen, sondern auch mit  moderaten Zonen, scheinen die Tropen vor Leben überzusprudeln. Das Phänomen der vom Breitengrad abhängigen Biodiversität ist unter Ökologen schon lange bekannt; bereits 1808 berichtete der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt in malerischer Art und Weise über den tropischen Höhepunkt an Artenvielfalt.

[…] Je näher dagegen den Tropen: desto mehr nimmt Mannigfaltigkeit der Gestaltung, Anmut der Form und des Farbengemisches, ewige Jugend und Kraft des organischen Lebens zu.“
Alexander von Humboldt, Ansichten der Natur


Wie Artenvielfalt entsteht

Hypothesen, die den latitudinalen Biodiversitätsgradienten (von Latitude; geografischer Breite) erklären wollen, gibt es viele. Eine der ältesten und am weitesten verbreiteten ist jene, die die hohe Temperatur als Hauptantrieb der Artenbildung versteht. Ist es warm, geht alles schneller. Legt der Zellstoffwechsel einen Zahn zu, werden Mutationen in der DNA häufiger. Dabei vergrössert sich der Pool an genetischer Variation, die natürliche Selektion wirkt auf einer breiteren Auswahl und die Evolution wird beschleunigt. Neben der Temperatur werden auch das Alter und die Fläche eines Gebietes sowie dessen Ressourcen als Treibkräfte der Diversifizierung diskutiert.

Fest steht: Diversität ist stets das Ergebnis einer simplen Rechnung, nämlich der Speziationsrate -  also der Geschwindigkeit, mit der sich aus einer Art eine neue bildet -  minus der Aussterberate.

Überraschungen aus der Forschung

Um die Auswirkungen von Klimawandel und Habitatsverlust auf die zukünftige Artenbildung erfassen zu können, ist es relevant, die Zusammenhänge von Diversität und Speziationsraten zu verstehen. Den massiven Fortschritten in der Genomik verdanken wir die Möglichkeit, Speziationsraten herzuleiten und zu ebendiesem Verständnis beizutragen.

Es wäre zu erwarten, dass eine hohe Artenvielfalt mit einer ebenso hohen Speziationsrate einhergeht. Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil, terrestrische Speziationsraten der letzten Millionen Jahre zeigen kaum Unterschiede zwischen den Breitengraden auf und sind in marinen Gebieten ausserhalb der Tropen sogar höher. Evolutionsbiologen an der Universität Michigan nahmen die evolutionären Verwandtschaftsgrade von mehr als 30‘000 Fischen genauer unter die Lupe. Es zeigte sich stets ein aufsteigender Gradient der Speziationsrate von den Tropen in Richtung der Pole.

Obwohl es in kalten Gewässern aktuell weniger Fischarten gibt als in den Tropen, entstehen dort mehr davon. Diese rätselhafte Sachlage schreit nach Erklärungen. Das Konzept der ökologischen Nische („ecological opportunity“) bietet dabei einen Anhaltspunkt: Mit steigender Artenzahl sinken die im Ökosystem verfügbaren Ressourcen. Hat sich einmal an jede Ressource eine Art angepasst, gibt es kaum noch freie Nischen, und für die Entstehung neuer Arten bleibt kein Platz.

Die als hoch eingestufte Speziationsrate der Polarfische beträgt 0.2 Arten, die sich innerhalb einer Million Jahren aus einer neuen Art entwickeln. Hätten sich über die letzten 30 Millionen Jahre Fische mit dieser Rate entwickelt, dann hätten wir an den Polen heute eine ähnliche Diversität wie in den Tropen. Es wird deshalb vermutet, dass in arktischen Breitengraden mit der Speziationsrate auch die Aussterberate zunimmt.

Quellen und weitere Informationen
Tree of Life Reveals Clock-Like Speciation and Diversification
Speciation far from the madding crowd

 

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