Einige Säugetiere wie Fledermäuse, Igel oder Bären fressen sich Fettreserven an, schlafen den Winter über und wachen im Frühling wieder auf – dies zumindest ist die weitverbreitete Vorstellung von Winterschlaf. Doch das ist nur bedingt korrekt.
Winterschlaf vs. Winterstarre
Winterschlaf halten nur verschiedene Vögel und Säugetiere. Diese Tiere sind in der Lage, ihre Körpertemperatur willentlich zu steuern; sie sind endotherm. Sie produzieren innere Körperwärme, und dies unabhängig von der Umgebungstemperatur. Die poikilothermen (wechselwarmen) Tiere hingegen – Wirbellose, Fische, Reptilien und Amphibien – sind ektotherm. Sie beziehen ihre Körperwärme aus der Umgebung. Je kälter es ist, desto kälter ist auch ihr Körperinneres. Sinkt die Temperatur unter ein toleriertes Minimum, führt dies zur völligen Inaktivität der ektothermen Tiere: Sie verfallen in eine Winter- bzw. Kältestarre.
Tiere im Energiesparmodus
Da endotherme Lebewesen ihre Körpertemperatur eigenständig regulieren, benötigen sie wesentlich mehr Energie als wechselwarme Tiere. Umso kälter es ist, desto mehr Energie benötigen sie, um ihr inneres Heizsystem aufrecht zu erhalten. Im Winter ist deshalb besonders viel Energie erforderlich. Doch in den kalten Monaten mangelt es vielen endothermen Tieren an Nahrung. Die sogenannten heterothermen Tiere verfügen dabei über eine besondere Überlebensstrategie: den Torpor. In der Biologie bezeichnet dieser Begriff die Fähigkeit von Tieren, ihre lebenserhaltenden Funktionen willentlich zu drosseln. Gesteuert wird dies im Mittelhirn; im sogenannten Hypothalamus. Durch das Herunterfahren des gesamten Stoffwechsels, der Körpertemperatur und des Herzschlags schalten die Tiere gewissermassen in einen Energiesparmodus. Dadurch sparen sie bis zu 99% Energie ein. Die winterschlafenden Tiere kühlen sich in einer Torporphase nur bis zu ihrer individuellen Minimal-Körpertemperatur ab. Im Schnitt liegt diese bei 5°C, einige Tierarten wie das Arktische Ziesel jedoch ertragen Körpertemperaturen von bis zu -2,9°C. Wird die Minimaltemperatur allerdings unterschritten, sterben die Tiere an einem Kältetod.
Winterschläfer sind nicht die ganze Zeit über im Torpor – Torporphasen dauern in der Regel maximal drei Wochen. Dazwischen liegen Aufwärmphasen, in denen die Tiere ihre Körpertemperatur wieder hochfahren. Die Gründe dafür sind nicht abschliessend geklärt. Womöglich ist dies nötig, um die Immunabwehr wieder hochfahren zu können, das Gehirn zwischenzeitlich zu regenerieren, sich zu entgiften oder das erkaltete Herz zu beruhigen. Ausserdem könnte das Nachholen von Schlaf eine Rolle spielen: Winterschlaf ist überhaupt nicht erholsam, sondern verlangt Tieren viel ab. Im Torpor laufen im Gehirn andere Prozesse als während dem Schlafen.
Unterscheidungen beim Winterschlaf
Heterotherme Tiere machen auf unterschiedliche Weise von Torpor Gebrauch. Kolibri, Zwerghamster, Spitzmäuse oder Fledermäuse zum Beispiel gehen in den Tagestorpor; die Torporphase dauert lediglich um die 12 Stunden. Diese Tiere reduzieren ihren Stoffwechsel weniger stark; um ca. 65%. Dauert der Torpor-Zustand mehrere Tage oder Wochen, sprechen Biologen von „echtem“ Winterschlaf. Siebenschläfer, Igel und Murmeltiere sind solche Winterschläfer im klassischen Sinne. Zur Vorbereitung des Winterschlafs fressen sie sich Fettvorräte an.
Weit verbreitet ist die Ansicht, dass einige Säugetiere wie die Bären keine Winterschläfer sind, sondern „Winterruhe“ halten. Laut der Deutschen Wildtierbiologin Lisa Warnecke ist dies ein Irrtum:
„Der Begriff Winterruhe ist ein umgangssprachlich benutztes Wort, um die Überwinterung von Tieren zu beschreiben. Der Begriff soll wohl auf eine reduzierte Aktivität im Winter hindeuten, hat aber keinerlei wissenschaftliche Bedeutung.“ – Lisa Warnecke, 2017
Der Torporzustand kann erheblich variieren: Gemäss Warnecke reduzieren Schwarz- und Braunbären ihre Körpertemperatur nur auf minimal 29,4°C, ihr Stoffwechsel nehme aber um bis zu drei Viertel ab, was typisch für Winterschläfer sei.
Torpor in den Tropen
Nicht nur bei Nahrungsmittelknappheit und Kälte machen Tiere von Torpor Gebrauch: Auch in den Tropen gibt es Winterschläfer. Der Grund ist hier vor allem die Wasserknappheit. Winterschlaf hilft zum Beispiel Madagaskars Lemuren wie den Fettschwanzmakis, die Trockenmonate zwischen April und Oktober zu überleben.
Winterschlaf bleibt Forschungsgegenstand
Noch ist der Winterschlaf vieler Arten noch nicht genau untersucht. Viele Fragen sind noch offen, insbesondere jene, wie Torpor genau funktioniert – Winterschläfer leben wochenlang im Energiesparmodus, ohne dass ihre Muskelkraft schwindet, ihre Organe geschädigt werden oder die Gehirnleistung abnimmt. Durch die Fähigkeit zum Torpor kommen heterotherme Tiere in Extremsituationen besonders gut zurecht. Dies könnte angesichts des Klimawandels in Zukunft von grossem Vorteil sein.
Quellen und weitere Informationen:
Lisa Warnecke (2017): Das Geheimnis der Winterschläfer – Reisen in eine verborgene Welt. Verlag C.H.Beck, München.
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