Lichtverschmutzung: zu viel des Guten

Die Spuren der menschlichen Zivilisation sind bis ins All sichtbar. Die Spuren der menschlichen Zivilisation sind bis ins All sichtbar.

Städte sind heute rund um die Uhr künstlich erleuchtet. Doch auch ausserhalb der Stromkosten zahlen wir dafür einen hohen Preis.  

 Mit dem Menschen kam das Licht – zumindest das elektrische. Unser Leben spielt sich nicht mehr nur am Tag ab. Durch die künstliche Beleuchtung ist es möglich, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu arbeiten. Sie verschafft uns in der Nacht ausserdem eine erhöhte Sicherheit und bessere Orientierung. Öffentliche Plätze, Bahnhöfe, Flughäfen, private Gebäude und Strassen sind rund um die Uhr beleuchtet. Zur Werbung bleiben Schaufenster nachts hell, genauso wie Firmenlogos. Auch entlang von Verkehrsachsen ausserhalb der Städte ist Licht nicht mehr wegzudenken. Selbst Denkmäler und natürliche Objekte wie Wasserfälle, Berggipfel und Bäume werden künstlich beleuchtet, damit sie auch nachts bestaunt werden können.

Erhellte Erde

Mit der künstlichen Beleuchtung greift der Mensch jedoch sichtbar in die Umwelt ein. Nicht nur lokal wird es heller – die Kunstlichter leuchten auch in die Atmosphäre. Über den Städten bildet sich besonders bei nebligen Verhältnissen eine „Lichtglocke“. Der gesamte globale Nachthimmel wird aufgehellt – und in Städten teilweise gar überstrahlt. Wir nehmen das Himmelszelt anders wahr als noch vor 200 Jahren. Astronomen beklagen, dass die Teleskope aufgrund der erhellten Atmosphäre schlechter ins Universum hinaussehen.

Von einer „Lichtverschmutzung“ oder von „Lichtsmog“ ist deshalb die Rede. Lichtverschmutzung ist eine offizielle Form von Umweltverschmutzung und wird der Luft- und Gewässerverschmutzung gleichgestellt. In der Schweiz gibt es keinen Ort mehr, an dem eine vollkommene, natürliche Dunkelheit erreicht wird. Wie eine in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlichte Studie eines internationalen Forscherteams zeigt, sind die Nächte in den letzten Jahren immer heller geworden. Im untersuchten Zeitraum von 2012 bis 2016 nahm die Lichtverschmutzung jährlich um 2,2 Prozent zu – ein Trend, der sich voraussichtlich in diesem Rahmen fortsetzen wird. Eine weitere Studie in „Science Advanced“ befand, dass ein Drittel der Weltbevölkerung die Milchstrasse am Nachthimmel nicht mehr sehen kann. 80 Prozent der Weltbevölkerung sind von Lichtverschmutzung betroffen – besonders in den USA, Europa und Asien. Unter den 20 wichtigsten Industriestaaten ist die Lichtverschmutzung in Italien und Südkorea am verheerendsten. In den grossflächig dünn besiedelten Staaten Kanada und Australien ist das Problem geringer.

Unterwünschte Auswirkungen

Helligkeit wird vom Menschen grösstenteils positiv bewertet. Doch zu viel Licht kann uns empfindlich blenden. Das kann die Sicherheit mehr beeinträchtigen als fördern. Beispielsweise im Strassenverkehr können Scheinwerfer oder Lichtreflexionen die Verkehrsteilnehmer so blenden, dass diese die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren. Ausserdem führt die ständige Helligkeit zu Schlafstörungen und verschiebt den Schlaf-Wach-Rhythmus. Blinkendes Licht und solches mit hohem Blauanteil gilt als besonders störend.

Einschneidende Folgen hat die Lichtverschmutzung für die Artenvielfalt. Die meisten Amphibien beispielsweise sind nachtaktiv; Paarung und Nahrungssuche finden im Dunkeln statt. Diese werden durch Lichteinwirkung erschwert oder vollständig verhindert. Der Lebensraum vieler Amphibien wird durch Lichtimmissionen zerschnitten.

Im Gegensatz zu den Amphibien werden abend- und nachtaktive Insekten wie Nachtfalter, Glühwürmchen oder Grillen von dem nächtlichen Licht angelockt. Sie verlassen damit ihr natürliches Umfeld und vernachlässigen die Futtersuche und Fortpflanzung. Häufig schwirren Insekten solange an der Lichtquelle, bis sie übermüdet und desorientiert verenden, an Lampen verbrennen oder von ihren Feinden gefressen werden.

In Konflikt mit künstlichem Licht stehen auch Zugvögel. Viele sind nachts unterwegs und orientieren sich dabei am Magnetfeld der Erde und an den Sternen. Deshalb werden sie von den Lichtglocken der Städte angezogen und können stundenlang im Kreis herumfliegen. Das kann ihre Energiereserven so stark beanspruchen, dass sie an Erschöpfung sterben oder mit Gebäuden kollidieren. Ausserdem werden Vögel von starken Lichtreizen wie Scheinwerfern oder Skybeamern erheblich aufgeschreckt und kommen von ihrer Flugrichtung ab.

Zugvögel, die in lichtverschmutzten Gebieten überwintern, fliegen im Frühling früher zurück in ihr Brutgebiet. Weil es dort häufig noch zu kalt ist, sinken ihre Überlebenschancen.

Die Lichtverschmutzung wirkt sich auch auf das Fortpflanzungsverhalten von Vögeln aus: Die Singvögel in beleuchteten Stadtpärken oder entlang von Strassenbeleuchtungen beginnen früher im Jahr zu singen als jene im Wald. Dadurch werden Weibchen früh angelockt und es kommt entsprechend früher zur Paarung und zum Schlüpfen der Jungvögel. Doch häufig ist im Frühjahr noch zu wenig Futter für die Jungen verfügbar – das Ökosystem spielt nicht mehr zusammen. Besonders sensibel auf künstliches Licht reagieren auch Fledermäuse

Des Weiteren verlieren einige Laubbäume in der Nähe von Strassenlampen im Herbst ihre Blätter später, was zu Frostschutzschäden führen kann.

Der Kampf gegen das Kunstlicht

In der Schweiz werden Massnahmen gegen die Lichtverschmutzung mehrheitlich durch die Kantone und Gemeinden festgelegt. Der Bund klärt in der 2005 veröffentlichten Publikation „Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen“, wie gegen übermässiges Kunstlicht vorgegangen werden könnte. Der Bund betont darin, dass vor allem die Notwendigkeit der Beleuchtung abgeklärt werden muss – vielfach werden Energie und finanzielle Ressourcen für Lichter verschwendet, die nicht nötig wären. Als weitere Empfehlung wird genannt, dass Leuchten so angebracht bzw. abgeschirmt werden sollen, dass der eigentliche Beleuchtungszweck erfüllt wird und möglichst wenig Licht nach oben in die Atmosphäre strahlt. Es sollen ausserdem mehr gedämpftes Licht sowie Natrium-Hochdrucklampen und Natrium-Niederdrucklampen eingesetzt werden. Diese gelten als besonders insektenfreundlich und energiesparend. Zudem empfiehlt der Bund zeitliche Regelungen zur Drosselung oder vollständigen Abschaltung des Kunstlichts.

In der Lichtverschmutzungsdiskussion kommen häufig auch Leuchtdioden (LEDs) zur Sprache. Ein Vorteil ist ihr gezielteres Leuchten. Gegen den Lichtsmog hilfreich sind jedoch nur jene LEDs, die ein warmweisses Licht emittieren und deren Lichtstärke gering ist. Denn: Mit dem grossflächigen Einsatz von hellen LEDs mit hohem Blaulichtanteil könnte sich die Lichtverschmutzung sogar verdoppeln.

 

Quellen und weitere Informationen:
Massnahmen des Bundes, einiger Kantone und Gemeinden sowie unserer Nachbarstaaten gegen Lichtverschmutzung
ARTE-Doku: „Verlust der Nacht – die globale Lichtverschmutzung“
Dark-Sky Switzerland: Für umweltschonende Beleuchtung und den Schutz der Nacht
Artikel „Können LED-Leuchten die zunehmende Lichtverschmutzung stoppen?“ (Energie-Experten)

 

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Kommentare (1) anzeigenausblenden 

0 #Michael Kistler2019-03-04 10:26
Als Massnahme zur Aufklärung von Gewerbe und Bevölkerung gibt es die Kampagne "Licht aus": www.lichtaus.ch
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