Teil 2: Sozialistischer Umweltschutz – So war`s in der DDR

Der „Trabi“ steht symbolisch für das DDR-Leben. Der „Trabi“ steht symbolisch für das DDR-Leben.

Gestern haben wir uns mit der Umweltpolitik zu Zeiten des geteilten Deutschlands befasst. Einige interessante Fragen blieben noch offen, deshalb folgt hier der zweite Teil.

1. Teil lesen 

In Westdeutschland wurden mindestens zehn Jahre früher Massnahmen für den Umweltschutz eingeleitet als im Osten. Mit dem Bau von Kläranlagen oder der Entschwefelung von Brennstoffen wurde beispielsweise versucht, die Verschmutzung von Gewässern und der Luft in den Griff zu kriegen. Während internationalen Konferenzen diskutierte man über die Zukunft des weltweiten Umweltschutzes und der Umweltpolitik. Dies erhöhte auch den Druck von aussen auf die DDR.

Widerstand in der DDR

1986 wurde die Umwelt-Bibliothek in Berlin gegründet. Das Ziel der Mitglieder war in erster Linie die Bereitstellung von Informationen. Sie riefen aber auch zu Aktionen auf, wie beispielsweise einem Autofreien Sonntag. Bücher und Texte zu Umweltthemen sollten den DDR-Bürgern ermöglichen, sich zu informieren. Ihre Botschaft lautete gemäss Dr. Dörfler: „Die Verschmutzung der Umwelt kann so nicht weitergehen!“ Umwelt-Bibliotheken gab es in mehreren Städten und diese Orte wurden zu einer eigenen Form des Widerstands. „Diese Umwelt-Bibliothek war Anlaufpunkt für kritische Geister.“ Damit war auch ein inneres Druckmittel entstanden. Die Staatssicherheit überwachte die Umwelt-Bibliotheken akribisch.
Die Grüne Partei der DDR formierte sich ab dem 24. November 1989. Hervorgegangen war die Partei aus Umweltschutzgruppen, die seit Mitte der 80er unter dem Dach der Kirche existierten. Die Grünen wehrten sich gegen die Umweltzerstörung und stellten sich gegen schädliche Wirtschaftszweige.

Ruf des Ostens
Die Elbe galt als einer der stärkst belasteten Flüsse Europas und auch über Gebiete wie Bitterfeld häufen sich die Berichte von Umweltverschmutzung. E.P. Dörfler will den Ruf des Ostens relativieren: „Interessant ist, dass diese Aussage in Erinnerung geblieben ist und immer wieder zitiert wird. Aber dass in den 70er Jahren der Rhein die Kloake Europas war, das ist vergessen worden. (…) Die Luftverschmutzung im Ruhrgebiet war ja auch nicht lustig. Da redet keiner mehr darüber, aber die Luftverschmutzung im Bitterfeld ist in Erinnerung geblieben.“

Nach der Wende

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Mit der Wende wurde ein Umbruch eingeläutet. Alles, was aus dem Osten kam, wurde während den folgenden Jahren kategorisch abgelehnt. Dr. Dörfler kritisiert das Vorgehen während der Wiedervereinigung Deutschlands. Die Devise lautete nämlich: „Im Osten ist alles Schrott; das legen wir alles still.“ Diese verkorkste Einheitspolitik führte zu grossem Missmut sowie zu Arbeitslosigkeit. Die Folgen sind noch heute spürbar. Auch innovative Projekte wie das SERO-System wurden radikal zu Grabe getragen. Die Bundesregierung veröffentlichte 1990 einen Umweltbericht, der aussagte, dass Luft, Boden und Gewässer in Ostdeutschland katastrophal belastet waren. „Zur Wende kam dann der grosse Umschwung. Da ist die Elbe sauberer geworden als der Rhein und die Luft in Bitterfeld sauberer als die Luft im Ruhrgebiet. Der Grund war nicht – wie immer gern gesagt wird - die Sanierungsmassnahmen und die Klär- und Filteranlagen. Der Hauptgrund war schlicht die fast totale Stilllegung der gesamten Ostdeutschen Industrie.“ - berichtet Dr. Dörfler. Ausserdem ist heute die Umweltbelastung im Osten kleiner – mal abgesehen von den Altlasten – aufgrund der dünneren Bevölkerungs- und Verkehrsdichte sowie der geringeren Landschaftsverschneidung. „Sumasumarum: Intakte, schützenswerte Natur ist im Osten im grösseren Massstab erhalten als im Westen.“ Nach der Wende hat der individuelle ökologische Fussabdruck im Osten zugenommen. Weil das Leben in der DDR gezwungenermassen bescheidener war und die Stoffkreisläufe geschlossen waren.

Fazit

Die Umweltpolitik, die im geteilten Deutschland auf beiden Seiten der Mauer betrieben wurde, ist ein kontroverses Thema. Es darf nicht als nur in schwarz und weiss betrachtet werden, denn es gibt verschiedene Perspektiven. Trotz Umweltsünden unter der SED-Regierung kann die DDR in verschiedenen Bereichen  als Vorbild für umweltpolitische Massnahmen gesehen werden.

Dr. Ernst Paul Dörfler
Dr. Dörfler ist Experte in den Gebieten Umweltschutz und DDR. Er hat in der DDR gelebt und als Ökologe gearbeitet. Der ostdeutsche Natur- und Umweltschützer wurde von der Staatssicherheit genauestens überwacht. Als Autor hat er zahlreiche Bücher zu Natur, Umwelt, Gewässerschutz ua. veröffentlicht. Dr. Ernst Paul Dörfler hat uns einige Fragen für diesen Artikel beantwortet und von seinen Eindrücken der Umweltpolitik zu DDR-Zeiten berichtet. Seine Webseite findet sich hier und unsere Rezension zu seinem neusten Buch mit dem Titel „Nestwärme“ unter diesem Link.

Quellen und weitere Informationen:
MDR: Die Grüne Partei DDR
Umwelt im Unterricht: Umweltpolitik in der DDR
SRF Echo der Zeit: DDR - Umweltschutz war damals das dringendste Problem
Zeit: Interview mit Dr. Ernst Paul Dörfler

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