Die Mobilität befindet sich in einem ständigen Wandel. Falls unser Planet weiterhin bestehen soll, hat die Ära des kostengünstigen Flugverkehrs keine Zukunft mehr. Denn die Klimafrage setzt dem boomenden Billigfluggeschäft früher oder später ein Ende. Die naheliegende Ablösung wäre dann wohl eine Rückkehr auf die Schienen, sprich ein Ausbau des Zugnetzes. Im Bahnbetrieb der Schweiz stossen wir auf Verbesserungspotential, vor allem in Bezug auf die Nachtzugverbindungen.
Geschichte der Nachtzüge
Bereits im Jahr 1872 verbanden die ersten Nachtzüge Europas die Hauptstädte Paris und Wien. Seit dem Boom des Flugverkehrs hat dieses Geschäft allerdings mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. In der Schweiz wird der Nachtverkehr auf Schienen bereits seit mehr als fünfzehn Jahren kontinuierlich reduziert. Kopenhagen, Amsterdam, Barcelona, Brüssel: Solche Städte wurden von der SBB früher noch über Nacht auf direktem Weg angefahren. Heute werden die oben genannten Städte von Billigflugairlines angeflogen. Dadurch haben sich die Destinationen verändert, Barcelona ist beispielsweise zur Partytourismusstadt mutiert. Aus wirtschaftlichen Gründen mussten die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im Jahr 2009 die eigenen Nachtzugverbindungen vollständig einstellen. Damit steht die Schweiz nicht alleine da, die Deutsche Bahn folgte unserem Vorbild im Jahr 2016. Auch in diesem Fall begründete man das damit, der Nachtverkehr sei ein Millionenverlustgeschäft. In Europa ist die Österreichische Bahn (ÖBB) heute führend auf dem Nachtzugmarkt. Die ÖBB betreibt allein 18 Nightjet-Strecken und acht weitere nächtliche Verbindungen mit Partnern. Auch die SBB bietet Nachtzugstrecken nur in Kooperation mit Österreich an.
"In Deutschland schläft die Bahn, in Österreich der Kunde - und kommt dabei noch ausgeruht und pünktlich ans Ziel"
Deutscher FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic
Aufsteigender Ast
Für das neue Jahrzehnt sehen die Prognosen allerdings besser aus. Armin Weber, Leiter internationaler Personenverkehr der SBB, liess Ende des letzten Jahres beispielsweise folgendes verlauten: „Wir sehen einfach den Bedarf im Markt und wir prüfen deswegen, ob wir wirklich den Nachtzugverkehr wieder ausbauen können.“ Diese vage Formulierung lässt die Hoffnung aufkeimen, dass die SBB ihre Nachtfahrten bald aufrüstet. Diese Entwicklung würde Vorteile mit sich bringen. Zunächst einmal würde eine Förderung des Zugverkehrs das Klima entlasten: Der Flugverkehr ist bekanntlich ein schwerwiegender Mitverursacher des Klimawandels. Der Umstieg in den Zug birgt daneben auch individuelle Pluspunkte. Der Zug entlässt uns meist mitten in der Stadt, ausserdem fallen Check-in, Boarding und weitere zeitraubende Verzögerungen weg. Aber um den Umstieg zu fördern, muss das Angebot attraktiver gestaltet werden: Preis, Bequemlichkeit, Buchungsmöglichkeiten, Schnelligkeit, Zuverlässigkeit – diese Faktoren beeinflussen die Entscheidung der Kundinnen und Kunden.
Gleiche Voraussetzungen
Damit der Bahnbetrieb an Attraktivität gewinnt, müssen die Bedingungen angepasst werden. Noch immer wird der Flugbetrieb gegenüber internationalem Bahnverkehr finanziell bevorteilt. Der Flugverkehr bezahlt keine Kerosinsteuer und bleibt meist von Mehrwertsteuern verschont. Die Bahn zahlt hingegen für jeden Kilometer Trassengebühren. Diese unfairen Voraussetzungen machen es den Airlines zu einfach. Doch wir Reisenden müssen uns auch selbst in die Verantwortung ziehen, denn aus der Nachfrage entsteht das Angebot.
"Wir sehen das Commitment gegenüber dem Nachtzug und dem umweltfreundlichen Reisen. Sobald es Billigfluglinien auf bestimmten Strecken gibt, sinkt auch teilweise die Nachfrage nach dem Nachtzug."
Armin Weber, Leiter internationaler Personenverkehr der SBB
Quellen und weitere Informationen:
SBB Medienmitteilung: Nachtverkehr in Europa 2019
SBB Medienmitteilung: Nachtzüge 2015
umverkehr.ch: Teilerfolg für Nachtzugkampagne
SRF: SBB prüft neue Nachtzugverbingungen
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