Wieviel Schaden fügen wir den Tieren durch unseren Lärm zu?

Einmal Ruhe für die Natur bitte! Einmal Ruhe für die Natur bitte!

Durch die aktuellen Massnahmen scheint es ein bisschen ruhiger auf der Erde geworden zu sein. Beste Bedingungen also, sich in aller Stille einen Augenblick über die Auswirkungen des Lärms auf die Wildtiere Gedanken zu machen.

Im Tierreich, inklusive uns Menschen, spielen akustische Geräusche eine wichtige Rolle in der Kommunikation. Sie können als Warnrufe, zur Partnersuche, zur Reviermarkierung, zur Kontaktaufnahme zwischen den Jungen und ihren Eltern, zur Anzeige von Futterquellen oder dem Zusammenhalt der Gruppe dienen. Ausserdem ist Schall (vor allem für nachtaktive Tiere) eine wichtige Orientierungshilfe. Er dient zur Beutesuche oder warnt vor Gefahr. Besonders spezialisiert auf eine akustische Orientierung sind z.B. Fledermäuse und Meeressäuger, die mit Hilfe von Echolot ein detailliertes Bild ihrer Umgebung erstellen. 


Wann aus einem akustischen Signal störender Lärm wird, kann schwer verallgemeinert werden. Das Geräuschempfinden ist sehr subjektiv und unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Bei Tieren ist es noch einmal komplizierter, da uns diese ihr Lärmempfinden schlecht mitteilen können und sich auch ihr Hörvermögen empfindlich von unserem unterscheiden kann. Zudem gibt es nur wenige Studien, die sich mit der Lärmbelastung von Tieren beschäftigen. 
Im Folgenden wird Lärm als ein Geräusch definiert, welches sich auf das natürliche Verhalten oder die Gesundheit der Tiere störend auswirkt. Der anthropogene Lärm - also alle menschengemachten Geräusche - ist seit der Industrialisierung stark gestiegen. Durch Strassenlärm, Maschinen oder laute Sportveranstaltungen, aber auch unter Wasser nahm der Geräuschpegel auf der Erde im letzten Jahrhundert stark zu. Neben diesen gibt es auch natürliche Schallquellen, wie Wind- und Brandungsrauschen, Regenprasseln, Donnergrollen oder die Lautmeldungen der Organismen selbst. 


Lärm wird nicht nur sehr individuell empfunden, auch seine Schädlichkeit ist von einer Reihe von Faktoren abhängig. Es sind nicht alle Arten gleich empfindlich gegenüber Geräuschen, da die Tiere sehr unterschiedliche Wahrnehmungsfähigkeiten haben. Auch spielen die jeweils verschiedenen Erfahrungen der einzelnen Individuen eine Rolle. So sind Wildtiere im Bereich einer Schiessanlage an das Knallen gewöhnt und werden es nicht zuvorderst mit der Jagd assoziieren: Eine energieaufwändige Fluchtreaktion bleibt dann aus, was sich in anderem Zusammenhang wieder rächen kann. Darüber hinaus spielen der körperliche Zustand und die Lebensphase der Tiere eine entscheidende Rolle dabei, wie stark Lärm sich auf sie auswirkt. Während der Aufzucht der Jungtiere beispielsweise kann Lärmbelastung zu einer gestörten Eltern-Kind-Kommunikation führen. Das kann, wie bei der Kängururatte (Dipodomys deserti), eine erhöhte Sterblichkeit der Jungtiere zur Folge haben (D.J. SCHUBERT, 1999). Besonders in fragilen Ökosystemen und Habitaten sind Lärmquellen eine Gefahr für die Tiere. In der Wüste führt der Motorenlärm von Off-Road-Buggys zu kurzzeitigem Gehörverlust des Fransenfingerleguans (Uma scorpia). Das Reptil ist in dieser Zeit den Raubtieren schutzlos ausgeliefert (D.J. SCHUBERT, 1999). Besonders die Eigenschaften der Geräusche selbst spielen eine Rolle. Je nach Intensität, Frequenz, Dauer, Intervall ssowie zusätzlichen Störfaktoren, wie etwa visuellen oder olfaktorischen Reizen, kann die Wirkung von Lärm auf die Tiere unterschiedlich ausfallen. 


Eine allgemeine Aussage dazu, welche Auswirkungen Lärm auf die einzelnen Individuen hat, ist also nicht möglich. Dennoch gibt es Studien, die die Auswirkungen von Lärm auf verschiedene Arten und Populationen aufzeigen. Viele der Vögel scheinen sich an den anthropogenen Lärm bereits gewöhnt zu haben und zeigen Anpassungen in ihrem Singverhalten. So erhöhen die Kohlmeisen (Parus major) in der Stadt ihre Rufrate, indem die Tiere ihren Gesang im Vergleich zu den Waldbewohnern verkürzen. Die Nachtigall (Luscina megarhynchos) singt in lärmbelasteten Gebieten bis zu 14dB lauter. Der Gesang ist an Wochenenden jedoch wieder deutlich leiser als an den Werktagen (H. BRUMM, 2004). Diese Anpassungen der Vögel scheinen erfreulich, dennoch gehen Wissenschaftler davon aus, dass das intensivere Singen auch mehr Energie verbraucht. Das ist durchaus keine Kleinigkeit, denn letztlich ist es stets das Verhältnis von aufgenommener zu verbrauchter Energie, das über Gesundheit und Tod von Lebewesen entscheidet. Noch deutlicher zeigt sich das bei Fischen, die Motorengeräuschen ausgesetzt sind: Deren Wachstumsraten sind reduziert und ihr Fluchtverhalten verstärkt. Flucht bedeutet für die Tiere immer einen erhöhten Energieverbrauch und zugleich weniger Zeit für die Nahrungssuche. Wie unangenehm es für die Bewohner des Wassers oft zugehen muss, zeigen die Silberkarpfen (Hypophtalmichthys molitrix). Diese springen bei Bootslärm aus dem Wasser (H. RECK, 2001). Besonders dramatisch ist die Situation der Meeressäugetiere. Der Tod zahlreicher Vertreter der Schnabelwal-Arten (Ziphiidae) konnte mit hochintensivem, mittelfrequentem Sonar der Marine in Verbindung gebracht werden. Durch den Lärm erschrecken die Tiere oder empfinden Schmerzen und ändern ihr Tauchprofil: Sie steigen zu schnell an die Oberfläche und verenden aufgrund der Kompressionskrankheit. 


Lärm kann viele negative Auswirkung auf die Tiere haben:  
- Störung der akustischen Kommunikation: z.B. bei der Partnersuche
- Störung der Orientierung: Räuber werden nicht gehört oder Beute nicht gefunden 
- Flucht: Die Flucht verbraucht viel Energie und ist deshalb schlecht für die Kondition der Tiere
- Anatomisch-physiologische Effekte (vorübergehend oder bleibend): Bspw. Gehörschäden und -verluste, erhöhter Blutdruck und erhöhte Herzschlagfrequenz, Gewichtsreduktion, Schwächung des Immunsystems, weniger Milchproduktion, uvm. 
- Stress: Bei chronischer Belastung durch andauernden Lärm hat die Stressreaktion einen negativen Effekt auf die Gesundheit des Tieres. Auch wenn es scheinen mag, dass die Tiere sich an den Lärm angepasst haben, können sie unter einem hohen Level von physiologischem Stress leiden 

 
 


All diese Störfaktoren können dazu führen, dass Tiere die jeweiligen Gebiete meiden. Vor allem für spezialisierte und angepasste Tiere ist jedoch ein Ausweichen auf andere Habitate oft schwierig oder nicht durchführbar. Können sie sich nicht an den Lärm gewöhnen, sterben sie an den entsprechenden Standorten aus. Im lärmbelasteten Gebiet kann es also es zu einem Dichterückgang der Arten und so zu einer veränderten Artzusammensetzung innerhalb des Ökosystems kommen, was dann verschiedentlich in einem allgemeinen Rückgang der biologischen Vielfalt resultiert. 
An Extreme wie Verkehrslärm oder Open-Air-Konzerte müssen wir dabei nicht ausschliesslich denken. Oftmals vergessen wir Menschen, dass auch schon unsere Stimmen für Tiere Lärm bedeuten können. Die Einhaltung von Wildruhezonen ist deshalb besonders wichtig, um den Wildtieren (gerade nach den Wintermonaten) ihre knappen Energiereserven zu erhalten und sie nicht unnötig aufzuschrecken. 

 

 

Quellen und weitere Informationen:
Wildruhezonen
Naturtipps: Lärm und Naturschutz

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