Umweltnetz-Schweiz: Wessen Idee war es, den Familienurlaub auf dem Velo zu verbringen?
Familie Champers: Wir verreisen immer mit dem Velo. Schon bevor wir Kinder hatten, haben wir grosse Reisen gemacht. Unter anderem waren wir in Japan unterwegs oder sind drei Monate lang von der Schweiz nach Istanbul. Letztes Jahr mit den Kindern waren wir hauptsächlich in Deutschland, dort ist es meist flach und die Fahrradwege sind super ausgebaut. Das ist natürlich gerade mit Kindern ein wichtiger Sicherheitsaspekt. Dieses Jahr haben wir wegen des Lockdowns beschlossen, unsere Tour de Suisse fortzuführen. Toll, wenn man im Urlaub Freunde besuchen kann!
Ihr seid also erfahrene Velo-Reisende. Was sieht eure Ausrüstung aus?
Wegen den Kindern sind wir mittlerweile auf E-Bikes umgestiegen. Die ersten Reisen mit der Erstgeborenen hatten wir noch normale Velos. Das ging schon auch, wir blieben aber den Bergen fern und reisten zum Beispiel im flachen Norddeutschland.
Jetzt haben wir also die E-Bikes, den Anhänger für den einjährigen Sohn und für unsere vierjährige Tochter ihr Kindervelo mit der “Follow-Me“-Konstruktion. Es ist also am Rad des Elternteils befestigt, das Vorderrad hängt dabei in der Luft. Dieses Teil ist genial, denn wenn das Gelände geeignet ist, kann sie auch selbstständig fahren. Wenn nicht - oder sie müde ist - klicken wir sie ans elterliche Velo. Zusätzlich zählen zu unserer Ausrüstung die Velotaschen, das Zelt und die Kochutensilien.
Wisst ihr, wie viel Gewicht euer Gepäck hat?
Nein, die Kinder wiegen allein schon 10 bzw. fast 20 Kilo. Meine Schätzung wäre… mit dem Fahrrad vielleicht 60 Kilo. Da wir ja jetzt die E-Bikes haben, spielt das Gewicht tatsächlich keine so grosse Rolle mehr. Wir kommen sogar die steilsten Anstiege mühelos hinauf.
Ja, ich habe euch gesehen und war beeindruckt!
Wie viele Kilometer fahrt ihr pro Tag?
Mit den Kindern ist es angenehmer, wenn wir den Zeltplatz nicht jeden Tag wechseln, sondern mindestens 2 Nächte am selben Ort bleiben. Die letzte Etappe war rund 20 Kilometer lang. Als nur mein Mann und ich unterwegs waren, schafften wir durchschnittlich vielleicht 70 Kilometer am Tag. Aber jetzt nehmen wir Rücksicht auf die Kinder! Eine zu lange Zeit auf dem Velo ist kein Spass für sie. Bevor sie sich langweilen, halten wir lieber an einem Spielplatz und lassen sie spielen. Als die Tochter noch klein war und im Hänger, konnten wir die Kilometer machen, während sie schlief. Damals sind wir die Strecke von Hamburg nach Kopenhagen gefahren. Das war schon stressig, denn wir mussten zu einer bestimmten Zeit dort ankommen. Dieses Jahr sind wir entspannter unterwegs und bleiben auch mal drei Nächte. Dann können wir an unserem „freien“ Tag mit dem Velo die Gegend erkunden, natürlich ohne das Gepäck.
Muss man besonders sportlich sein, um ein solches Abenteuer anzugehen?
Nein, besonders mit den E-Bikes ist es super einfach und perfekt für Einsteiger. Man sollte aber eine gewisse Begeisterung für Outdoor Aktivitäten mitbringen und sich gern in der Natur aufhalten. Es scheint nicht immer die Sonne, manchmal regnet es auch.
Habt ihr dann einen Plan B?
Ja, genau, denn wir wollen die Kinder nicht entmutigen und ihnen das Velofahren madig machen. Wenn die Wetterbedingungen also schlecht sind, machen wir Pause oder suchen uns ein Hotel oder Bed and Breakfast. Wir haben dafür ein Notfall-Budget.
Was magst du besonders am Velo-Reisen?
Es ist wunderbar immer vorwärts zu kommen, all die neuen Orte zu entdecken und die Aussicht zu geniessen. Das ist natürlich besonders hier in der Schweiz wunderschön. Ich liebe es, in meiner eigenen Geschwindigkeit zu reisen und dort zu halten, wo es mir gefällt, oder weiter zu fahren, wenn es eben blöd ist.
Du hast ja schon vom Regen gesprochen. Ist das ein solcher Part, der keinen Spass macht, oder braucht man einfach nur eine gute Regenjacke?
Ein kurzer Regenschauer ist absolut kein Problem. Wenn es aber 10 Tage durchregnet ist es.... Das ist uns in Norwegen passiert, glücklicherweise ohne die Kinder. Das ist dann schon anstrengend, wenn einfach alles nass ist und natürlich auch nass bleibt. Ebenfalls ein bisschen entmutigend war es in Norditalien. Dort war es viel kühler, als wir erwartet hatten. Kalte Finger und Füsse sind sehr unangenehm. Aber ja, ich würde sagen, das Schlimmste ist, wenn es jeden Tag regnet.
Wenn ich mich an meine Campingurlaube als Kind erinnere, dann sehe ich ein vollgestopftes Auto mit vielen Spielsachen. Wie viel habt ihr dabei?
Haha, wir können natürlich nicht so viele Spielsachen mitbringen. Wir haben eine Tasche dafür vorgesehen. Und dann noch die Sandspielsachen, die sind sehr wichtig. Zum Glück hat fast jeder Campingplatz einen Spielplatz. Das ist übrigens ein grosser Vorteil, den man hat, wenn man mit dem Velo ankommt: Meist darf man sich - selbst wenn der Platz eigentlich schon voll ist - irgendwo ein Plätzchen suchen. Dann steuern wir direkt den Spielplatz an und schlagen unser Lager in unmittelbarer Nähe dort auf. Die Kinder gehen spielen, wir können uns um den Zeltaufbau und das Essen kümmern. Dadurch, dass wir relativ oft den Platz wechseln, bleibt es auch für die Kinder spannend, die neuen Spielplätze zu erkunden. Wir brauchen deshalb gar nicht so viel verschiedenes Spielzeug.
Wie findet eure Tochter das Velo fahren? Mag sie es?
Ja, ich denke, sie mag es. Sie mag auf jeden Fall das Camping. Und beim Velofahren achten wir darauf, dass wir nicht zu viel machen, damit sie es geniesst. Dass sie nicht aufs Velo will, hat sie jedenfalls noch nie gesagt. Mit dem Kleinen ist es schwieriger, er will manchmal nicht in den Anhänger oder quengelt, weil er müde ist. Sind wir dann aber unterwegs und bewegen uns, ist alles gut. Bei ihr war es auch so, als sie klein war.
Habt ihr Tipps an zukünftige veloreisende Familien?
Am besten einfach starten, und keine zu hohen Etappenziele setzen. Wenige Kilometer täglich, und genügend Zeit für Pausen. Ausserdem Erholungstage einplanen! Es lohnt sich wirklich, einen Puffertag zu haben. Dann kann man auch mal an einem besonders tollen Spielplatz länger bleiben oder den Regen ausharren, bevor es weitergeht. Mindestens 2 Nächte an einem Ort zu verbringen spart auch Zeit und Nerven, weil man nicht jeden Tag das Zelt auf- und abbauen muss. Das ist sehr zeitintensiv. Allein das Packen kann schon bis zu 2 Stunden dauern.
Wie kühlt ihr eure Lebensmittel?
Wir benutzen die Kühlschränke am Campingplatz. Ausserdem kaufen wir meist nur für einen oder zwei Tage ein. Wenn wir beispielsweise grillen wollen, dann kaufen wir es und beginnen direkt mit der Zubereitung. Bei der Milch machen wir einfach den Geruchstest, ob sie noch geniessbar ist. Das ist übrigens etwas, das wir bedauern: Durch die kleinen Portionen haben wir viel mehr Verpackungsmüll als normalerweise.
Würdest du einem Einsteiger raten, im Flachen zu beginnen?
Ohne E-Bike ist das Flachland die bessere Wahl. Deutschland eignet sich hier sehr gut, denn im Vergleich zur Schweiz ist es sehr flach. Ich kann eine Rundfahrt in Bayern empfehlen! Die meisten der vielen Biergärten haben auch tolle Spielplätze. Mit einem E-Bike kann man aber auch entspannt und problemlos in den Bergen unterwegs sein.
Benötigt man ein spezielles Trekking-E-Bike zum Verreisen?
Nein, wir selbst fahren ganz normale E-Bikes.
Wie oft müssen sie geladen werden?
Durchschnittlich alle 2 Tage wird die Batterie aufgeladen, je nach Terrain. Bergauf brauchen sie natürlich mehr Strom als im Flachland.
Wie viele Taschen habt ihr?
Jeder Erwachsene hat 4 Taschen, jeweils 2 an Vorder- bzw. Hinterrad befestigt. Dann haben wir die Matratzen bzw. das Zelt auf dem Gepäckträger. Am Lenker hängt noch eine zusätzliche Tasche für die persönlichen Dinge, wie Smartphone und Karten. Unsere Grosse befördert einen Teil des Essens auf ihrem Gepäckträger. Im Anhänger transportieren wir Windeln und die Spielsachen.
Worauf ist bei ihrer Anschaffung zu achten?
Ich empfehle, sich für wasserdichte Taschen in guter Qualität zu entscheiden, dann muss man sich über Regen keine Sorgen machen. Besonders mit den Kindern ist es von Vorteil, wenn die Wechselkleidung nicht nass wird. Und es ist auch schön zu wissen, dass man selbst nach der Ankunft ein trockenes T-Shirt hat.
Ist es nicht gefährlich mit den Kindern im Strassenverkehr?
Wir versuchen, grosse Strassen zu meiden und auf Nebenstrecken bzw. auf den Fahrradwegen zu bleiben. Manchmal ist es jedoch nicht zu vermeiden, auch stärker befahrene Strecken zu befahren. Mit nur einem Kind konnten wir es in die Mitte nehmen, doch das geht mit Zweien nicht mehr.
Wie funktioniert die Navigation? Braucht man eine gute Orientierung?
Wir benützen Google Maps auf unseren Telefonen, und natürlich folgen wir der Beschilderung der Velowege. Ich würde sagen, man braucht keinen besonders ausgeprägten Orientierungssinn.
Wie oft seid ihr schon falsch gefahren?
Das kommt zum Glück selten vor -einmal jedoch - auf einer unserer grösseren Tour in die Türkei - mussten wir trotz einer anstrengenden 100-Kilometer-Tagesetappe noch einen Berg hoch, um den Campingplatz zu erreichen. Das war in Griechenland. Erschöpft auf dem Berg angekommen sehe ich, wie mein Mann das Schild für den Campingplatz übersehen hat und wieder bergab fährt. Ich habe natürlich gerufen, aber er hat mich nicht gehört. Wir hatten aber Glück: Im Tal gab es noch einen Campingplatz, wo wir dann übernachteten.
Und dann gab es auch eine weitere Situation am Berg, in Japan. Da haben uns wir den ganzen Weg nach oben gequält, nur um dort festzustellen, dass die Strasse gesperrt ist. Japan kann ich aufgrund seiner heissen Thermalquellen übrigens auch absolut für eine Veloreise empfehlen!
Hattet ihr also nie den Gedanken: Jetzt reicht´s, das ist das letzte Mal?
Nein, nie, dafür macht es zu viel Spass. Wenn das Wetter schlecht wird oder man müde ist, dann macht man Feierabend. Am nächsten Tag kann es dann in neuer Frische weitergehen. Ein weiterer Vorteil von Veloreisen ist, dass die Kosten gering sind und das Urlaubs-Budget so für das eine oder andere schöne Abendessen zusätzlich genutzt werden kann.
Mir selbst kommt es bei meinen Velofahrten ja immer so vor, als drehe sich der Wind ständig so, dass ich Gegenwind habe. Könnt ihr das bestätigen?
Ich denke, dass liegt daran, dass man gar nicht merkt, wenn man Rückenwind hat. Gegenwind hingegen ist immer anstrengend.
Für welches Ding würdet ihr umdrehen, wenn ihr es zuhause vergessen hättet?
Für die Computer für die E-Bikes.
Vielen Dank für das Interview und allzeit Gute Fahrt!
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