Jahrestag: Vor 75 Jahren explodierten die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki

Die charakteristische Wolke bei der Atomexplosion Die charakteristische Wolke bei der Atomexplosion

Vor 75 Jahren, am Morgen des 6. August 1945, liessen US-Soldaten die Atombombe über Hiroshima explodieren. Drei Tage später eine weitere über Nagasaki. Die Zerstörung hatte unvergleichbare Dimensionen: Noch nie hatte die Menschheit eine so energiereiche Explosion erlebt.

Die beiden Abwürfe der Atombomben „Little Boy“, mit dem Isotop Uran-235 als Energieträger und „Fat Man“ (eine Plutoniumbombe) markierten den erfolgreichen Abschluss des Manhattan-Projekts. Erfolgreich für die US-Regierung, das US-Militär und die zahlreichen multinationalen Wissenschaftler, die daran mitgearbeitet hatten. Für die japanische Zivilbevölkerung in Hiroshima und Nagasaki war es eine Verheerung schrecklichen Ausmasses. Und auch der Rest der Welt sah mit Grauen, wie die Menschheit nun in die Lage kam, sich mit einem Knopfdruck selbst auszulöschen. 
 
Nach dem Abwurf fiel „Little Boy“ 42 Sekunden lang, bis der Druckluft- und Zeitauslöser gezündet wurde und in seinem Innern eine Urankugel auf einen Plutoniumblock gefeuert wurde. Die unkontrollierte nukleare Kettenreaktion war ausgelöst. Der sich über Hiroshima aufblähende Feuerball generierte eine Hitze von über 4000°C. Die hohen Temperaturen verdampften menschliche Körper innerhalb von Sekunden. Die ausgesendeten Infrarot- und Gammastrahlen – von Hauswänden und Mauern nicht aufgehalten – gelangten in den menschlichen Organismus und verursachten todbringende Zellschäden. Eine Minute nach Abwurf waren bereits zehntausende Menschenleben ausgelöscht. Die gewaltige Druckwelle hinterliess noch weit ausserhalb des Stadtzentrums Verwüstungen, Verletzte und Tote. Diejenigen, die die Explosion überlebten, waren gezeichnet von schlimmsten Verbrennungen und Verletzungen. 

Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Hiroshima direkt in der Explosion 80.000 Menschen ums Leben kamen. Innert Tagen stieg die Opferzahl auf etwa 140.000. Tausende weitere Überlebende kämpfen bis heute mit schwersten körperlichen und seelischen Schäden, mit Entstellungen und der Strahlenkrankheit. 

Obwohl die Bombe die Stadt verfehlte, starben in Nagasaki im Radius der Explosion 70.000 Menschen entweder sofort oder innert weniger Monate. Die Explosionskraft der dort abgeworfenen Plutoniumbombe war noch einmal grösser als jene von „Little Boy“. Wenige Tage später kapitulierte das japanische Kaiserreich. Die Menschen in Hiroshima und Nagasaki mussten weiterhin an den Folgen leiden. In den nächsten 5 Jahren kamen in beiden Städten noch 350.000 Strahlentote hinzu.  

Kettenreaktionen: Physikalische und allzu menschliche 

Das Ziel des Manhattan-Projekts war erreicht: Die Konstruktion einer Bombe, die den Kriegsgegner in die Knie zwang. Was aber hat die Wissenschaftler dazu bewogen, eine so schreckliche Waffe zu entwickeln? Eine Bombe, die grösseren und längerfristigen Schaden anrichtet als alle Bomben zuvor; eine Massenvernichtungswaffe mit dem Potential, grosse Teile der Menschheit auszulöschen?  

Die Idee zur Atombombe kam auf, nachdem Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Strassman 1938 die Kernfission entdeckten. Rasch wurde den Wissenschaftlern weltweit bewusst, dass die enorme Energiefreisetzung bei der Kernspaltung auch dazu genützt werden konnte, eine mächtige Bombe zu entwickeln. 

Von der Kernspaltung... 
Beim Beschuss mit Alpha-Strahlung lässt sich die Kernspaltung beim Uranisotop U235 beschleunigen bzw. erzwingen. Dabei entstehen aus dem Uranatomkern drei kleinere Teile (die hochenergetischen Neutronen) und andere Elemente. Außerdem wird eine große Menge Energie in Form von schädlicher Gammastrahlung erzeugt. 
…. zu den Atombomben 
Wenn nun jedes der drei ausgesandten Neutronen selbst wieder auf einen U235-Atomkern trifft und damit eine erneute Kernspaltung auslöst, führt das einer Kettenreaktion mit einer exponentiell wachsenden Zahl von Spaltungen. Innerhalb extrem kurzer Zeit wird gigantisch viel Energie unkontrolliert freigesetzt. 

  
 
Die Angst, dass Nazideutschland im Begriff war, diese Waffe zu erschaffen, spornte US-Amerikaner, Briten und auch Sowjets an, eifrig an einer Bombenkonstruktion basteln. US-Präsident Roosevelt und das US-Militär hoben das geheime Manhattan-Projekt aus der Taufe. Dass die Forschung in Deutschland indessen gar nicht so weit war wie befürchtet, lag nicht zuletzt daran, dass viele deutsche Wissenschaftler vor dem Nazi Regime ins Exil flüchteten und ihre Informationen an die Alliierten weitergaben. 

Manhattan-Project 

Leiter der geheimen Militäraktion wurde J. Robert Oppenheimer. Er gilt als „Vater der Atombombe“, tatsächlich waren unter seiner Führung 3000 Mitarbeiter an der Entwicklung beteiligt. Neben ihm war auch General Leslie Groves ein führender Leiter des Manhattan-Projekts. Genau wie Oppenheimer war er an jeder wichtigen Entscheidung beteiligt und mit jedem Entwicklungsschritt der Bombe vertraut. Beide sassen in dem Ausschuss, der das Ziel der ersten Bombe bestimmte. Das Projekt kostete das Militär über 2 Milliarden Dollar und beschäftigte bis zu 125.000 Mitarbeiter.

Die wissenschaftliche Vorarbeit leisteten der Italiener Frederico Fermi, der als „Architekt des nuklearen Zeitalters“ gilt, und der Dänische Forscher Niels Bohr, der viel zum Verständnis der nuklearen Kettenreaktion beitrug. 1939, als die Kernspaltung entdeckt wurde, erkannte er sofort die Möglichkeit einer Kettenreaktion. Er ermittelte auch die Uran-Isotope U235 und U238 als spaltbares Material. Nachdem Deutschland Dänemark besetzte, betätigte er sich im Widerstand, floh dann aber 1943 aufgrund seiner jüdischen Vorfahren. In Amerika leistete der frühere Nobelpreisträger wichtige theoretische Vorarbeit zum Bau der Atombombe. Nach dem Krieg setzte er sich für die friedliche Nutzung der Kernkraft ein. 

Der Nobelpreisgewinner Fermi floh schon 1938 vor Mussolini in die USA. Er war am Bau des ersten Kernreaktors (1942) beteiligt, in dem die erste kontrollierte Kernspaltungs-Kettenreaktion ablief, und kam 1943, wie sein Kollege Bohr, als Mitarbeiter zum Manhattan Projekt. Dort war er hauptsächlich mit der Konstruktion der Produktionsreaktoren für Uran235 und Plutonium beschäftigt. 

Bis zum Sommer 1941 machte das Uranprojekt keine großen Fortschritte. In Grossbritannien waren die Wissenschaftler, vor allem durch die Arbeit des österreichischen Forschers Otto Frisch, schon weiter vorangeschritten. Dann nahm das Projekt aber auch in den USA Fahrt auf. Für die Herstellung des Urans und Plutonium wurden im Jahr 1942 riesige Fabriken fertiggestellt: Das „Site X“ genannte Oak Ridge National Laboratory in Tennessee sowie die „Site W“ genannte Anlage Hanford bei Richland, Washington. Schon ein Jahr später waren genügend Ausgangsmaterialien für die Konstruktionen der ersten Atombomben vorhanden. Ein weiteres Jahr verging, in dem mit verschiedenen Bombenmodellen experimentiert wurde.Schon gleich nach dem ersten erfolgreichen Testabwurf in New Mexico wurden die Atombomben auf eine bei Japan gelegene Insel verschifft… 
 
Ob die darauffolgenden Bombenabwürfe tatsächlich notwendig waren und – wie in der Folge repetitiv verbreitet – Menschenleben durch das forcierte Kriegsende gerettet wurden, bleibt bis heute Stoff für Diskussionen. Dankbar und glücklich können wir uns alle schätzen, seither keine weiteren Atombombenangriffe erlebt haben zu müssen. Das Bewusstsein, dass bei einem nuklearen Angriff jede beteiligte und unbeteiligte Partei nur verlieren kann, zeigte wenigstens insofern Wirkung. 


 

Diese Wirkung erstreckte sich leider nicht soweit, dass auf Nuklearwaffenversuche verzichtet worden wäre. Die Atommächte, zu denen neben den USA, Grossbritannien und der Sowjetunion bald auch Frankreich, China, Indien, Israel und Pakistan zählten, richteten mit ihren über 2000 Nuklearwaffen-Tests in den folgenden Jahrzehnten lastende ökologische Schäden an: Vom Bikini-Atoll bis zu den Steppen von Kasachstan. Ein Abkommen, sie zu stoppen, wurde 1996 aufgesetzt, ist aber bis heute nicht ratifiziert, und anhaltendes Zündeln am atomaren Feuer – wie etwa durch Nordkorea – verzögert seine Durchsetzung weiter. Der auf den 29. August gesetzte „Internationale Tag gegen Nuklearversuche“ muss uns leider weiterhin daran erinnern, dass der entfesselte Geist sich nicht wieder in die Flasche verbannen lässt.
Wir selbst werden uns in unserer Serie zur Atomenergie bis dahin wieder jener anderen Folge der Entdeckung der Atomkern-Spaltung zugewandt haben, die uns seither allerhand grosse Betontürme in die Landschaft setzte…
 


 
  

Quellen und weitere Informationen:  
History: The Manhatten Project
Chemie.de: Kernspaltung
Terra X: War der Atombombenabwurf über Hiroshima notwendig?

  

  
 
 
 
 

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